eiterleben   »Waren Ihre Schulden sehr groß?« fragte Maigret.

»Kaum siebentausend ... aber das ist viel für einen Mann mit meinem Einkommen. Eines Abends, als meine Frau in Vendôme bei ihrer Schwester war, suchte Ulrich mich auf, verlangte das Geld und drohte mir, er werde sich an meinen Chef wenden, mich anzeigen, mir schaden, wo er nur könnte. Ich sah eine Katastrophe voraus und ...«

Er sprach ganz ruhig und mit der ihm eigenen Ironie.

»Na, mir lief die Galle über. Zuerst wollte ich Ulrich nur einschüchtern, indem ich ihm einen Schlag ins Gesicht versetzte. Aber als ihm die Nase blutete und er zu schreien begann, habe ich ihm die Kehle zugedrückt. In aller Ruhe. Es ist ein Irrtum, zu glauben, daß man in solchen Augenblicken den Kopf verliert. Im Gegenteil. Ich war so klar wie nie zuvor. Ich ging und holte einen Wagen ... das andere wissen Sie...«

Er streckte seine Hand nach dem Tisch aus, als wollte er nach einem nicht vorhandenen Glas greifen.

»Das war die ganze Geschichte. Hinterher sieht man das Leben mit anderen Augen. Mit Mado ging es noch einen Monat. Meine Frau begann Krach zu machen, weil ich trank, und die beiden Kerle wollten ihr Schweigegeld haben. Ich habe Basso alles erzählt. Man sagt, es tut gut, sein Herz zu erleichtern. Das ist Unsinn, Kalender-Weisheit. Es wäre gut, sein Leben von vom zu beginnen, nochmals ein Säugling in der Wiege zu sein.«

Das klang so drollig, daß Maigret lächeln mußte. Auch Basso konnte nicht ernst bleiben.

»Aber es wäre natürlich eine Riesendummheit, eines schönen Tages zur Polizei zu rennen und zu erzählen, daß man einen umgebracht hat.«

»Und so sucht man sich lieber ein stilles Eckchen«, bemerkte Maigret.

»Wenn man weiterleben will, muß man es sich erträglich machen.«  - Georges Simenon, Maigret und die Groschenschenke. München 1971 (Heyne Simenon-Kriminalromane 9, zuerst 1931)

 

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