uhe  1882 entdeckt der Brockhaus die Entropie. Sie klingt so recht nach Faulenzerei, jedenfalls nach Ruhe, die in »unangebbar langen Zeiten« einkehren wird. Denn sie ist der Teil »eines Körpersystems, welcher sich nicht in Arbeit  verwandeln läßt«. Zehn Jahre später (Brockhaus 1892) ist der Umstand wichtiger, »daß Wärme nur dann Arbeit leistet, wenn sie eine 'absteigende' Richtung hat, d.h. wenn sie von einem wärmern Körper zu einem kältern übergeht«. Daher sieht man im Weltall, »daß die Wärme des Universums immerfort zunimmt und einem Maximum zustrebt«.

Wird einst in unendlichen Weiten und Zeiten dieses Maximum erreicht sein, »wird auch jeder Unterschied der Temperaturen im Universum ausgeglichen und also ewige Ruhe im Weltall eingetreten sein». - (lex)

Ruhe (2) Gemeinen Kreaturen bringt nicht einmal das Sterben Erlösung. Denn entweder finden sie selbst im Tode keine Ruhe, oder sie erhalten überhaupt kein Grab, oder aber ihnen wird, auch wenn sie zuvor bestattet wurden, diese letzte Ehre wieder genommen, und sie werden aus dem Hafen der Ruhe, der doch für alle da ist, wieder vertrieben. So wurde Pausanias wegen seiner perserfreundlichen Gesinnung von den Lakedaimoniern nicht nur dem Hungertode preisgegeben, nein, sogar sein Leichnam wurde über die Grenzen geworfen, wie Epitimides berichtet. - (ael)

Ruhe (3)  »Ich werde meine Ruhe haben«, sagte er zum Schluß.

Im Bagno oder im Gefängnis! Jedenfalls würde er der Notwendigkeit enthoben sein, auf etwas zu warten, was nicht geschah. Er würde essen, trinken, schlafen zur bestimmten Zeit, Steine klopfen auf der Landstraße, Matten flechten oder Kotillonorden kleben.

»Man wird mir wohl zwanzig Jahre geben ...«

Basso sah ihn an. Seine Augen waren feucht.

»Schweig doch!« sagte er, die Hände verschränkend.

»Warum?«

Maigret versuchte mechanisch, die leere Pfeife in Brand zu bringen.

Er hatte das Gefühl, nie in einen so tiefen Abgrund der Verzweiflung gebildet zu haben, einer Verzweiflung, die nicht von einem tiefen Dunkel, sondern von einem undurchdringlichen Grau war, phrasenlos und ohne Grimasse. Einer Absinthverzweiflung ohne lindernde Trunkenheit. Und er war sich der Kraft bewußt, die abends seine Schritte zur ›Taverne Royale‹ gelenkt hatte.

Sie hatten zusammen getrunken, gleichgültige Worte gewechselt, und James hatte dabei die Hoffnung gefühlt, daß der Augenblick kommen werde, daß Maigrets Hand sich auf seine Schulter legte. Er spürte den in Maigret wachsenden Verdacht, er nährte ihn und sah ihn Gestalt annehmen. Er wartete ...

Er nannte ihn du. Denn er liebte in ihm den Freund, der ihm Befreiung bringen würde. - Georges Simenon, Maigret und die Groschenschenke. München 1971 (Heyne Simenon-Kriminalromane 9, zuerst 1931)

Ruhe (4)  Der dritte Grundsatz Haussmanns sah zur Schaffung der öffentlichen Ruhe die Schaffung von breiten Boulevards vor, die nicht nur die freie Zirkulation von Licht und Luft, sondern auch von Truppen ermöglichten. Durch diese ingeniöse Kombination sollte das Los der Bevölkerung verbessert und die Revolutionslust gedämmt werden. - Nach: Sigfried Giedion, Raum, Zeit, Architektur. Ravensburg 1965 (zuerst 1941)

Ruhe (5) Einer war durch seinen ungeratenen und boshaften Sohn [Vater, Mutter, Bruder ...] den ganzen Tag so gequält worden, daß er ihn abends erschlug und aufatmend zur übrigen Familie sagte: "So! nun können wir ruhig schlafen!"  - (mo)

Ruhe (6)

In müden Kreisen schwebt ein kranker Fisch
in einem Tümpel, der auf Gräsern liegt.
Beim Himmel lehnt ein Baum - verbrannt und krumm.

Ja ... die Familie sitzt um den großen Tisch,
wo sie mit Gabeln aus den Tellern pikt.
Allmählich wird man schläfrig, schwer und stumm.

Die Sonne leckt mit heißem, gift'gem Maul
am Boden wie ein Hund — ein wüster Feind.
Landstreicher fallen plötzlich spurlos um.

Ein Kutscher sieht besorgt auf einen Gaul,
der, aufgerissen, in der Gosse weint.
Drei Kinder stehen still herum.

- Alfred Lichtenstein, nach (mus)

Ruhe (7)  Sobald eine bestimmte Empfindung kommt ist die Angst weg. Die Angst ist ein Schwanken, eine Ungewisheit, meist körperlich. Der Gesunde ist immer ruhig, selbst unter den schlimmsten Umständen.

Wenn man sich nur immer recht lebhaft sagen konnte, daß die Angst meist körperlich ist. Mein Magen hat mir lediglich vorgestern und gestern die trüben und unruhigen Stunden verursacht. Heute früh währte es nur eine Weile. Sobald ich den Magen gestärkt, ward ich unbeschreiblich ruhig und heiter, und habe so bis jezt zugebracht. Die Welt wird dann in einem Augenblick anders. Selbst das Traurigste erscheint mild und man findet bieder an allem Behagen - an Arbeiten, Gehn, Sitzen, Gesellschaft etc. Alle Hoffnungen erwachen; der Nebel verschwindet und der innigste Dank gegen Gott erfüllt uns auf das Wolthätig-ste- Ruhe ist der wahre Zustand des Menschen. Für den Ruhigen lst jede äußre Lage erträglich, und selbst angenehm. Es ist nicht das fatale Treiben zu spüren und selbst Langeweile erträgt sich eicht. Dem Ruhigen ist alles leicht und bequem. Alle Vorstellungen, alle Gedanken an Religion werden kräftig und erfreulich und die wahrhaft himmlische Lust der Thätigkeit erwacht mjt Kraft.

Ich kann noch lange Blut auswerfen - aber wird das helfen, daß ich mich jedesmal von neuen ängstige. Angst schadet - Muth stärkt. So ein Zufall verliert sich nicht gleich. - Novalis, Tagebücher [Weissenfels 1. / 6. September 1800]

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