eitermachen  Die Geschichtenerzähler machen weiter, die Autoindustrie macht weiter, die Arbeiter machen weiter, die Regierungen machen weiter, die Rock'n'Roll-Sänger machen weiter, die Preise machen weiter, das Papier macht weiter, die Tiere und Bäume machen weiter, Tag und Nacht macht weiter, der Mond geht auf, die Sonne geht auf, die Augen gehen auf, Türen gehen auf, der Mund geht auf, man spricht, man macht Zeichen, Zeichen an den Häuserwänden, Zeichen auf der Straße, Zeichen in den Maschinen, die bewegt werden, Bewegungen in den Zimmern, durch eine Wohnung, wenn niemand außer einem selbst da ist, Wind weht altes Zeitungspapier über einen leeren grauen Parkplatz, wilde Gebüsche und Gras wachsen in den liegengelassenen Trümmergrundstücken, mitten in der Innenstadt, ein Bauzaun ist blau gestrichen, an den blauen Bauzaun ist ein Schild genagelt, Plakate ankleben Verboten, die Plakate, Bauzäune und Verbote machen weiter, die Fahrstühle machen weiter, die Häuserwände machen weiter, die Innenstadt macht weiter, die Vorstädte machen weiter. Einmal sah ich eine Reklame für elektrische Schreibmaschinen in einem Schaufenster, worin Büromöbel ausgestellt waren. Ein Comicbildchen zeigte, wie jemand Zeichen in eine Steinplatte schlug, und eine Fotografie zeigte eine Schreibmaschine. Ich war verblüfft. Wo ist der Unterschied, fragte ich mich. Sie wollten mir doch damit einen Unterschied klar machen. Hier sitze ich, an der Schreibmaschine, und schlage Wörter auf das Papier, allein, in einem kleinen engen Mittelzimmer einer Altbauwohnung, in der Stadt. Es ist Samstagnachmittag, es ist Sonntag, es ist Montag, es ist Dienstagmorgen, es ist Mittwoch, es ist Donnerstag, es ist Freitagnachmittag, es ist Samstag und Sonntag. Es ist ein erstaunliches Gefühl, meine ich, das den Verstand erstaunt. Nun erinnere ich mich, an mich selbst, und da gehe ich eine lange Strecke zurück, gehe über warme Asphaltschichten von Seitenstraßen, die Turnschuhe kleben daran, aus einer Musikbox, ganz weit zurück, kommt Rock'n'Roll-Musik und läßt mich die lateinische Übersetzung vergessen. Ich haue ab, trete über verharschte Wiesen im Winter, außerhalb des Ortes, schleppe die Schultasche mit den Büchern mit mir herum, bis Mittag ist und ich zum Mittagessen kann, hellweiße kalte Vormittage in Norddeutschland mit den Wetterberichten nach den Nachrichten. Zwischen den weißen, frischen, zusammengelegten Bettlaken im Schlafzimmerschrank lag immer eine kleine mattschwarz glänzende Pistole, bequem für eine Handtasche. Und wie war das Wetter, als ich geboren wurde? Meine Eltern waren jung, sie sprachen deutsch. Ich mußte das erst lernen, man wächst immer in eine schon gesprochene Welt rein. Das Lernen macht weiter. Deutsch macht weiter. Wiesen im Winter und warme Asphaltstraßen machen weiter, die Straßenecke macht weiter, die Wetterberichte machen weiter, die Bücher machen weiter, Pistolen, Schultaschen, Turnschuhe machen weiter. Die Nachrichtensprecher machen weiter. Der Sonntag macht weiter. Der Montag macht weiter. Der Postbote macht weiter. Der Dill macht weiter, und die Blätter machen weiter, die Zwiebeln, die Kuh, die Steine, der Film. Der Schallplattenspieler, repariert, macht weiter. Auch die Interpretationen machen weiter. Es sind die Bücher. Ich muß bei diesem Satz sehr lachen. Das Lachen ist angenehm. - (westw)

Weitermachen  (2)  

Weiterung

Wer soll da noch auftauchen aus der Flut,
wenn wir darin untergehen?

Noch ein paar Fortschritte,
und wir werden weitersehen.

Wer soll da unsrer gedenken mit Nachsicht?
Das wird sich finden, wenn es erst soweit ist.

Und so fortan bis auf weiteres
und ohne weiteres so weiter und so

weiter nichts

keine Nachgeborenen
keine Nachsicht

nichts weiter

- Hans Magnus Enzensberger, Der Fliegende Robert. Frankfurt am Main 1989

Weitermachen  (3) - Alabama Shakes

Weitermachen  (4) - Tom Waits

Weitermachen  (5) - J.J. Cale

Weitermachen  (6) - Robert Plant (Led Zeppelin)

Machen Fortsetzung

 

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