Triebregulierung  Warum dieser Abscheu vor der Sexualität in der katholischen Religion? Ich habe mich das oft gefragt. Wahrscheinlich gibt es alle möglichen Gründe, theologische, historische, moralische und auch soziale.

In einer hierarchisch geordneten Gesellschaft kann der Sex, der keine Grenzen und kein Gesetz respektiert, jederzeit ein Faktor der Unordnung und eine wirkliche Gefahr werden. Zweifellos haben deshalb einige Kirchenväter und der heilige Thomas von Aquin auf dem undurchsichtigen und bedrohlichen Gebiet des Fleisches eine so auffallende Strenge gezeigt. Thomas ging so weit zu glauben, daß auch der Liebesakt zwischen Ehegatten fast immer eine fleischliche Sünde sei, da man die Wollust nie ganz aus dem Geist verbannen könne. Die Wollust ist aber von Natur aus schlecht. Das Verlangen, die Lust sind notwendig, denn Gott hat es so gewollt, aber jedes Bild der Wollust - die nichts anderes ist als die Lust um ihrer selbst willen —, jeder unreine Gedanke sollten aus dem Werk des Fleisches verbannt werden zugunsten einer einzigen Idee: dieser Erde einen neuen Diener Gottes zu schenken.

Es ist klar, das habe ich schon oft gesagt, daß dieses unerbittliche Verbot ein Gefühl der Sünde schafft, das etwas Köstliches sein kann. Das war bei mir lange der Fall. Ebenso habe ich aus Gründen, die ich nicht durchschaue, im sexuellen Akt immer eine Verwandtschaft mit dem Tod verspürt, eine geheimnisvolle, aber stets vorhandene Beziehung. Ich habe sogar versucht, dieses unerklärliche Gefühl in Bilder zu übersetzen - in Un Chien andalou (Ein andalusischer Hund), wenn der Mann die nackten Brüste der Frau streichelt und sich ihr Gesicht plötzlich in einen Totenkopf verwandelt. Liegt das daran, daß ich in meiner Kindheit und Jugend Opfer der heftigsten Unterdrückung alles Sexuellen gewesen bin, die die Geschichte gekannt hat?

Die jungen Leute von Calanda, die es sich leisten konnten, gingen zweimal im Jahr nach Saragossa ins Bordell. Einmal, das war aber schon 1917, engagierte ein Café in Calanda zum Fest der Virgen del Pilar mehrere camareras, Kellnerinnen, die für ihre leichten Sitten bekannt waren. Zwei Tage lang widerstanden sie dem unausgesetzten derben Pokneifen der Gäste - pizcos auf aragonisch -, dann gaben sie es auf und gingen. Sie konnten nicht mehr. Natürlich taten die Gäste nichts anderes als kneifen. Hätten sie sich mehr herausgenommen, wäre sofort die Guardia Civil eingeschritten.   - Luis Buñuel, Mein letzter Seufzer. Berlin, Wien, Frankfurt am Main 1985

 

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