efinist   Ein seriös gekleideter Herr mit einem Hautsack unterm Kinn, geröteten dicken Augenlidern, einer behaarten Warze auf der linken Wange und einem fettstrotzenden Körper dünkte ihm die geeignetste Person.

Dungyerszki näherte sich unauffällig und sagte plötzlich vor der Theatinerkirche, der trotz dem geschlossenen Portal Weihrauchduft entströmte: "Mein Herr, könnten Sie mir sagen, was der ,Himmel' ist?"

Dungyerszki erblickte ein Gesicht, das verblüffende Ähnlichkeiten mit dem eines kranken Stationsvorstehers aufwies.

"Der Straßenlärm hat Sie wohl verhindert, mein Herr, mich zu verstehen," fuhr Dungyerszki unbeirrt fort. "Ich bat Sie, mir zu sagen, was der ,Himmel' ist."

Der Herr, ein gebürtiges Münchner Kind, begriff jetzt, daß es sich um einen Gschpaßigen handle, und begann entsetzlich zu grinsen: "Der Himmel? Dös kann i Ihner scho sagn. Der Himmel, dös is die Odeonsbar."

"Das mag wohl sein. Ich fragte jedoch direkt."

"Also direkt hams gfragt."

"Vielleicht sind Sie meiner Auffassung: für mich ist der Himmel eine Einrichtung, die verhindern soll, daß der Mensch aus ihm fällt."

"No ja. . ." Der beleibte Herr fühlte sich in seiner Bequemlichkeit gestört. "Da, kaufens Ihner a Halbe."

"Ich danke. Möchte jedoch hinzufügen, daß ich Definist bin."

"Was hams gsagt?"

"Daß ich Definist bin."

"Was is an dös?"

"Definist ist, wer sämtliche Hauptworte so lange mit seinem Gehirn kitzelt, bis sie vor Lachen in einen Satz machen."

Der beleibte Herr lachte sozusagen: von ungefähr kam es ihm lustig vor und sogar irgendwie verständlich. "Dö Hauptwort kitzeln? Machens dös do amal."

"Aber gerne. Bitte nennen Sie mir ein Hauptwort."

"Alsdann a Hauptwort . . . Alsdann sagn mer ,Liebe' hoho."

Dungyerszki besann sich keinen Augenblick: "Liebe ist ein Schwindel, dessen süße Empfindungen manchmal entschuldigen, daß man auf ihn hineingefallen ist."

"Dös hams gut gsagt." Der beleibte Herr lachte glucksend. ,, Alsdann gehn mers weiter . . . eine ,Kakotten' hohoho."

Dungyerszki lächelte darüber, welch elementare Vokabeln ihm serviert wurden:  "Kokotte ist ein weibliches Wesen, das sich von einer anständigen Frau dadurch unterscheidet, daß es nur von Fall zu Fall ausgehalten wird, und der gemeinsamen Vorliebe für maskuline Abwechslung und auffallende Kleidung ungehinderter fröhnen kann."

"Wahr is. Wahr is. Sagns, wo hams denn dös alls her."

Dungyerszki lächelte mitleidig:,, Wollen Sie bitte ungeniert weiterfragen, mein Herr."

"Ham Sös aber happig. No ja, sagn mer no 'Theresienwiesen'."

"Eine zu windige Gelegenheit."

"Hohohoho!" Der beleibte Herr schwang seine ringbesetzten Wurstfinger Dungyerszki auf die Schulter: "Jetzt aber no 'Nachtlöben'."

"Der meist mißlungene Versuch, wenn's finster wird, aus einer Bar ein Vergnügungslokal zu machen."

"Na, härns, auf die Baren da laß i nix kommen. Und gwies not auf die Odeonsbar."

"Ich mache mich anheischig, Ihnen zu beweisen, daß Sie sich in Wirklichkeit bisher in der Odeonsbar fadisiert haben."

"I und mi fadisiert?" Der beleibte Herr blieb empört stehen. "I mi? Wie wollns mer denn nacher dös beweisen, ho?"

"Ich schlage den Tatsachenbeweis vor: Sie gehen mit mir in die Odeonsbar."

"No und nacher ..."

"Und das, was Sie da an meiner Seite erleben werden, wird alles Dagewesene derart in den Schatten stellen, daß Sie, wenn Sie diesen Abend mit den früheren vergleichen werden, sich eingestehen müssen, sich zum ersten Mal nicht fadisiert zu haben."

"Dös wolln mer segn. Sie Aufschneider."

"Sie stimmen also zu?" "Kommens, Sie Döfinist Sie." - Walter Serner, Ein bedeutender Schlepper. In: W. S., Zum blauen Affen. Dreiunddreißig Kriminalgeschichten. München 1983 (dtv 10176, zuerst 1921)

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