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Der BENN ist ein giftiger Lanzettfisch, den
man zumeist in Leichenteilen Ertrunkener
festgestellt hat. Fischt man solche Leichen an
den Tag, so kriecht gern der Benn aus After oder Scham
oder in diese hinein. -
(bl)
Benn (2)
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- Ari Plikat, Der Rabe Nr. 15, 1986
Benn (3) Er steigt hinunter ins
Gewölbe seines Krankenhauses und schneidet die Toten auf. Ein Nimmersatt,
sich zu bereichern an Geheimnis. Er sagt: »tot
ist tot«. Dennoch fromm im Nichtglauben liebt er die Häuser der Gebete,
träumende Altäre, Augen, die von fern kommen. Er ist ein evangelischer
Heide, ein Christ mit dem Götzenhaupt, mit der Habichtnase und dem Leopardenherzen.
Sein Herz ist fellgefleckt und gestreckt. Er liebt Fell und liebt Met und
die großen Böcke, die am Waldfeuer gebraten wurden. Ich sagte einmal zu
ihm: »Sie sind allerleiherb, lauter Fels, rauhe Ebene, auch Waldfrieden,
und Bucheckern und Strauch und Rotrotdorn und Kastanien im Schatten und
Goldlaub, braune Blätter und Rohr. Oder Sie sind, Erde mit Wurzeln und
Jagd und Höhenrauch und Löwenzahn und Brennesseln und Donner.« Er steht
unentwegt, wankt nie, trägt das Dach einer
Welt auf dem Rücken. Wenn ich mich vertanzt habe, weiß nicht, wo ich hin
soll, dann wollte ich, ich wäre ein grauer Samtmaulwurf und würfe seine
Achselhöhle auf und vergrübe mich in ihr. Eine
Mücke bin ich und spiele immerzu vor seinem Angesicht. Aber eine Biene
möcht ich sein, dann schwirrte ich um seinen Nabel.
Lang bevor ich ihn kannte, war ich seine Leserin; sein Gedichtbuch - Morgue
- lag auf meiner Decke: grauenvolle Kunstwunder,Todesträumerei, die Kontur
annahm. Leiden reißen ihre Rachen auf und verstummen, Kirchhöfe wandeln
in die Krankensäle und pflanzen sich vor die Betten der Schmerzensreichen
an. Die kindtragenden Frauen hört man schreien aus den Kreißsälen bis ans
Ende der Welt. Jeder seiner Verse ein Leopardenbiß, ein Wildtiersprung.
Der Knochen ist sein Griffel, mit dem er das Wort
auferweckt. - Else Lasker-Schüler, Sämtliche Gedichte. München 1977
Benn (4)
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