ehmut Er
dachte mit tiefer Wehmut an alle die jungen Männer,
die im Laufe der Zeiten an Schönheit und Kraft vollkommen gewesen waren, junge
Pharaonen mit scharfgeschnittenen Zügen auf der Jagd am Nil entlang auf ihren
zweirädrigen Wagen, junge, anmutige chinesische Weise, in Seide gekleidet, in
den lebendigen Schatten der Trauerweiden in ihre Bücher vertieft - und sie alle
waren gegen ihren Willen in Stützen der Gesellschaft umgewandelt worden, Schwiegerväter,
Autoritäten in allem, was die Freuden der Tafel und moralische Probleme anbetraf.
Es war betrüblich, an dies alles zu denken. -
(
blix
)
Wehmut (2) Dymow stützte seine Backe in die Hand und stimmte leise ein wehmütiges Lied an. Konstantin lächelte verträumt und fiel mit feinem Stimmchen ein. So sangen sie eine halbe Minute und verstummten dann. Jemeljan fuhr auf, bewegte die Ellenbogen und spielte mit den Fingern.
»Brüder«, sagte er flehend, »wie wäre es - laßt uns etwas Göttliches singen!« Tränen traten in seine Augen. »Brüder«, wiederholte er, die Hand ans Herz pressend, »kommt, laßt uns etwas Göttliches singen!«
»Kann ich nicht«, meinte Konstantin.
Alle versagten sich ihm, so sang Jemeljan allein. Er dirigierte mit beiden
Armen, er nickte mit dem Kopf, er öffnete den Mund, aus seiner Gurgel aber drang
nur der Laut eines heiseren tonlosen Atems. Er sang mit den Händen, er sang
mit Kopf und Augen und sogar mit seiner Beule, er sang leidenschaftlich und
voller Weh, und je mehr er seine Brust anspannte, um ihr wenigstens einen Gesangston
zu entreißen, um so tonloser wurde sein Atem... Gleich den anderen wurde auch
Jegoruschka von Wehmut ergriffen. Er begab sich zu seiner Fuhre, kletterte auf
die Ballen hinauf und legte sich nieder. -
Anton Tschechow, Die Steppe. Nach (tsch)
Wehmut
(3) da ich also doch letzten Samstag schon kurz
nach 10 vor der Sebastian-Kirche stand und einen fragte, der vielleicht
dann im Chor mitsang, und da ich jetzt also zu Recht ein wehmütiges
Gefühl habe, als müsse ich jetzt groß aufs Klo,
denn dort verschwindet ja immer ein gewichtiges Stück unseres Lebens,
das wir nie mehr zu Gesicht bekommen, da ich also vor der Kirche
und den ganzen Tag und am Abend wieder dieses wehmütige Gefühl hatte,
als müsse ich für ein paar Stunden die Kanalisation eines ganzen
Viertels mit meinen Ausscheidungen verstopfen, als ginge ich seit 13 ja
15 Jahren zum erstenmal wieder auf die Toilette aber diesmal
unausweichlich und ohne Garantie, daß diesmal nicht auch mein Gedärm und
der Magen und die Speiseröhre und überhaupt alles und auch die
Anzugjacke, die ich den ganzen Tag nicht auszog, da ich also anständig
bekleidet und Zeuge Sein mußte und immer noch die Bangigkeit habe wie
ein Mensch, der unmittelbar davor steht, das Opfer einer Darmverstopfung
zu werden, wie der Pfarrer, der mich mit Gerda in Perlach getraut hat
und eine Woche später an einem Heus gestorben ist, und da ich einen
Schulfreund, den ich 10 Jahre nicht gesehen, sofort erkannte, und er
mich mit Herbert begrüßte und ich das Franz, an dessem Zutreffen ich
zwar zweifelte, nicht aus dem Mund brachte, aber da ich, wenn man mir
einen neuen Tisch bringt, ich lediglich die Platte abwische, höchstens
noch mit Vim reinige, dann auf ihn die Schreibmaschine setze und weiter
gehts - (
acht
)
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