eberführtwerden
Man kann sich auf den Augenblick des Überführtwerdens nicht vorbereiten. Man
tut zwar nichts anderes mehr, als sich auf diesen Augenblick -vorzubereiten,
aber man weiß schon, daß man nichts von dem sagen wird, was man sich wieder
und wieder zurechtgelegt hat. Es wird einem einfach nicht einfallen. Die Scham
verhindert jede Regsamkeit des Geistes und der Seele. Nicht die Scham, daß man
das und das getan hat - ach, diese Tat, das ist die reifste Frucht, die je ein
Baum getragen hat -, sondern die Scham, daß man gleich überführt sein wird.
Die Tat und das Überfiihrtsein berühren einander nicht. Die Scham hat nur einen
Grund; du wirst nicht nur überführt sein, du wirst mitarbeiten an deinem Überführtwerden.
Aus jeder Geste und Regung, die du jetzt noch vermagst, stürzt nichts als das
Geständnis. Und dafür schämst du dich. Daß du ihnen
das Geständnis lieferst. - Martin Walser, Tod eines Kritikers. Frankfurt
am Main 2002
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