Die Prinzessin von Conti war leicht an den Blattern erkrankt. Ihr Gemahl schloß sich mit ihr von der Umwelt ab, pflegte sie, wurde heftig angesteckt und starb. Sie genas.
Er, der Sohn eines Heiligen und einer Heiligen, war von Natur
gutartig und brav, aber durch eine Kette von verdrehten Ideen führte er
sich unbändig und närrisch auf. Er starb ohne Beichte, ohne einen Gedanken
weder für Gott noch auch nur für sich selbst, denn er war gar nicht bei
Besinnung. Seine schöne Witwe hat ihn sehr beweint. Sie besitzt hunderttausend
Taler Rente und hat vom König so viel Beweise natürlicher Zuneigung und
Freundschaft empfangen, daß niemand daran zweifelt, daß es ihr helfen werde,
sich zu trösten. - (
sev
)
Trost (2) Ein Kapuziner begleitete einen Schwaben
bei sehr regnichten Wetter zum Galgen. Der Verurteilte
klagte unterwegs mehrmals zu Gott, daß er, bei so schlechtem und unfreundlichem
Wetter einen so sauren Gang tun müsse. Der Kapuziner wollte ihn christlich
trösten und sagte: du Lump, was klagst du viel, du brauchst doch bloß hinzugehen,
ich aber muß, bei diesem Wetter, wieder zurück, denselben Weg. -
Heinrich von Kleist, Anekdoten
Trost (3)
- (
dafnis
)
Trost (4) Erste Stufe: der Mensch sieht in jedem
Übelbefinden und Mißgeschick etwas, wofür er irgend jemand anderes leiden lassen
muß, — dabei wird er sich seiner noch vorhandenen Macht bewußt, und dies tröstet
ihn. Zweite Stufe: der Mensch sieht in jedem Übelbefinden und Mißgeschick eine
Strafe, das heißt die Sühnung der Schuld und das Mittel,
sich vom bösartigen Zauber eines wirklichen oder vermeintlichen Unrechtes loszumachen.
Wenn er dieses Vorteils ansichtig wird, welchen das Unglück mit sich bringt,
so glaubt er einen anderen nicht mehr dafür leiden lassen zu müssen, — er sagt
sich von dieser Art Befriedigung los, weil er nun
eine andere hat. - (
mo
)
Trost (5) Gespräche gab es fast immer, wenn
ich beim Essen war, und wie oft hielt ich ihr eine Predigt, erzählte ihr das
Leiden Christi oder irgendein Heiligenleben, und bemerkte ich dann, daß sie
mich voller Ekstase ansah und sich von den Angelegenheiten Unseres Herrn rühren
ließ, hob ich plötzlich mein Glas und rief: «Prost Beelzebub!» und leerte es
oder stieß sonst irgendeinen Fluch aus. Ich hatte viel Spaß, wenn sie plötzlich
ein anderes Gesicht bekam. Aber, Herrschaften, was soll ich sagen, ich bin schließlich
kein Unmensch; wenn ich sie richtig leiden sah, suchte ich sie auf jede Weise
zu trösten. Als ich ihr den Teller an den Kopf geworfen hatte, habe ich oben
gesagt, sei es nur aus Feigheit gewesen, daß ich sie streichelte; aber das ist
nicht wahr. Wenn sie litt, tat sie mir wahrhaftig leid. Und es fiel mir nicht
schwer, sie zu trösten, wechselte sie doch ganz leicht vom Weinen zum Lachen
und umgekehrt: man brauchte sie nur mit einem Wortspiel zum Lachen zu bringen,
und sei's mit einem deftigen, wie ich das kann. - (
land
)
Trost (6) 1927 war Natalie Barney in die attraktive
italienische Baronin MARIA (›Mimi‹) FRANCHETTI (›Senorita Fly-About‹) - eine
Müßiggängerin, die ihre Langeweile durch immer neue Eroberungen zu bekämpfen
versuchte — unglücklich verliebt. Djuna Barnes tröstete Natalie in einem Brief
von 1927 zunächst mit der Bemerkung: »Und was Mimi angeht: Sie ist sterblich!«,
schrieb aber drei Monate später der immer noch leidenden Natalie, daß Mimi in
guter Verfassung zu sein schiene; dies sei ihr von Mina Loy berichtet worden,
die Mimi in Begleitung einer Frau, die sänge (Barnes fügte in Klammern hinzu:
»Welche Frau tut das nicht?«), in der Parnasse-Bar angetroffen hätte. Sie beschloß
ihre nicht sehr einfühlsamen Enthüllungen mit dem Vermerk: »Sie war Deiner nicht
würdig.« - Nachwort zu (
ladies
)
Trost (7) Neben einer gewissen Nadia — für die ich sehr
zärtliche Gefühle hege - bin ich am Meeresufer, an einem Strand im Stil von
Palm-Beach, einem Strand wie in einem amerikanischen Film. Um mir im Spaß Angst
zu machen und zu prüfen, ob ich über ihren Tod traurig wäre, will Nadia, die
sehr gut schwimmen kann, so tun, als ob sie ertrinke. Doch sie ertrinkt wirklich,
und man bringt mir ihren leblosen Körper. Ich beginne heftig zu weinen, bis
mir das Wortspiel »Nadia, ertrunkene Najade« - das mir auf der Schwelle zum
Erwachen einfällt — als Erklärung und Trost zugleich erscheint. - (
leiris
)
Trost (8) »Mein einziger Trost ist Petrarca«,
wird der Marquis de Sade schreiben. Das ist verständlich. Jene Frau,
die seine Ahnin war (der »Trost« des Marquis muß also
auch eine ganz kleine inzestuöse Komponente gehabt haben), die jung mit einem
Mann verheiratet wurde, der, wohl nicht von ungefähr, den Beinamen der Alte
trug, die als Mutter von elf Kindern ständig den Mühen
der Schwangerschaft und zudem der Eifersucht ihres Mannes sowie der eigenen
Tugendhaftigkeit ausgesetzt war, und die von Francesco Petrarca zum Objekt
einer Quälerei ohnegleichen gemacht wurde (so daß sie schließlich sterben mußte,
bevor sie zu altern begann, und zwar im selben Monat, am Tag und zur Stunde
ihrer ersten Begegnung mit dem Dichter) — diese Frau konnte nur als göttliche,
über jede andere reale oder imaginäre Gestalt erhabene Erscheinung
in die Träume und Wahnvorstellungen des göttlichen Marquis
eingehen. Sie war der Inbegriff der Dunkelheit, des Geheimnisses. -
(scia)
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