teppenwolf
Nee - nay, Hans, der Steppenwolf ist mißlungen
- dem Hermann Lauscher - aber gründlich - so, als ob plötzlich ein «Spießer»
(und das hinwiederum ist ja Hermann Lauscher auch nicht) — als ob so ein Spießer
plötzlich ins Bordell geht; will da auf einmal nach
der Lyrik und nach Gottfried Keller ein «doller Kerl» sein - aber dann kommt
ihm Calf und die angeborene steife protestantische Sittlichkeit verquer. «Mann,
heute abend saufe ich einen Absinth und greife mir 'ne Fose»
— und hinterher kann der dann den Absinth nichtenich vertragen, der Magen ist
zu protestantisch, und am Rinnstein kotzt er mit großer Philosophie — nay, da
hast Du vollständig recht: die «Nachtseiten» zu beschreiben ist nicht die Art
des Hesse — ich mag dagegen seine leichten angetuschten
Bilder, die Lyrik, das leicht grabhafte, sich selbst bespiegelnde Selbstmörderische,
die lyrische Skepsis — aber die «Dämonie» eines August oder eines fröhlichen
Dostow, oder die des August-Schülers Kafka ist ihm versagt - mache Du Hermann
Lauscher nur Deine feinen Gedichte weiter so ... die eigentliche Dämonie der
Hure des dollen Lebens kann eben oft nur jener beschreiben, der einesteils es
mitgemacht, also ein alter Hurenbulle war — oder einer jener bewußt «unmoralischen»
Typen wie Baudelaire oder Wilde oder Audrey Beardsley und Toulouse. Die Sehnsucht
erfindet manches — aber um einen Wein richtig zu beschreiben, muß man ihn auch
trinken und Spaß haben — wenn man bestraft wird und bezahlt: das gehört dazu
— banal gesagt gehört zum Saufen und F . . . n der nachherige hangover - und
vom Kater zu reden, und dazu dichterisch, ist nur ganz wenigen gegeben - ich
meine mit Schwarz zu malen - zu reden vom Boot, das niemals umkehrt - von der
Befriedigung der Erniedrigung, ja Selbstvernichtung. Nicht beim Hermann Lauscher,
trotz allem Hokuspokus seiner Analyse inklusive Rohrschachtest . . . Entweder
man säuft, tanzt und f.ckt, aber theoretisch geht das nicht. August Bauer und
mein Vetter Martin waren richtige Steppenwölfe - aber niemals Hermann der Lauscher.
- George Grosz, Brief an Hermann Borchardt, März/April 1942, nach: G.G., Briefe 1913-1959. Hg. Herbert
Knust. Reinbek bei Hamburg 1979