pott, tierischer Und wie können wir uns hohe Intelligenz ohne Überlieferung vorstellen? Und überhaupt: in einem so kurzen Leben? Alle Kopffüßer leben nicht länger als ein, zwei Jahre. Viele pflegen noch ihre Brut. Doch sie sterben, wenn diese schlüpft. Nichts können kleine Oktopüssel von ihren Eltern lernen, nichts diese ihnen tradieren. Wäre es anders, vielleicht hätten die Oktopoden längst die Weltherrschaft übernommen. Aber ohne Brutpflege und Familie entwickelten sich auch keine sozialen Verbände, kein Altruismus, keine Kooperation. Jeder Oktopus jagt und stirbt für sich.
Trotzdem sind ihre Intelligenzleistungen frappant. In Aquarien sind Oktopoden als Ausbrecherkönige gefürchtet. Dass sie ihren weichen Körper durch noch so kleine Löcher bugsieren können, hilft ihnen dabei. Und sie haben auch einen geradezu boshaften Humor. Smith erzählt von gefangenen Oktopoden, die mit einem gezielten Wasserstrahl aus ihrem Siphon die Glühlampe im Raum ausschossen. Oder auch einen solchen Wasserstrahl in den Nacken eines Tierpflegers zirkelten, den sie nicht mochten.
Eine Geschichte aus Peter Godfrey-Smiths Buch ("Other
Minds") klingt so unglaublich, dass ich sie
hier weitererzählen muss. Er betont, dass er sie von einer angesehenen,
nüchtern beobachtenden Forscherin hat. Sie ging den Gang mit den
Aquarien hinab und fütterte die Oktopoden mit aufgetauten Sepienstücken.
Sowas essen Oktopoden zwar, aber nicht gerne. Sie bevorzugen lebende
Krebse. Der Forscherin fiel auf, dass der Oktopus im ersten Becken seine
Ration nicht verspeiste, sondern abwartend festhielt und ihr dabei mit
den Augen folgte. Sie kehrte vom Ende des Ganges zurück, und noch immer
beobachtete das Tier sie. Und als sie neben seinem Aquarium war, da nahm
er die ungeliebten Futterstücke - und warf sie in den Überlauf des
Aquariums. - Konrad Lehmann, Achtbeinige Genies.
Telepolis
vom 24. März 2019
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