Intelligenz, tierische   Ihrer Intelligenz nach setze ich die Maultiere gleich an die zweite Stelle nach den Ratten, und auf das Maultier folgen dann der Reihe nach: Katzen, Hunde und zuletzt die Pferde, wobei ich natürlich voraussetze, daß du mit meiner Definition der Intelligenz einverstanden bist: es ist die Fähigkeit, mit seiner Umgehung fertig zu werden: was bedeutet, die Umgebung zu akzeptieren und sich doch mindestens etwas an persönlicher Freiheit zu bewahren.

Die Ratte stelle ich natürlich an die erste Stelle. Sie lebt bei dir im Haus, ohne daß sie dir hilft, es zu kaufen oder zu bauen oder zu reparieren oder die Steuern dafür zu zahlen; sie ißt, was du ißt, ohne daß sie dir hilft, es zu produzieren oder zu kaufen oder auch nur ins Haus zu schaffen; du kannst sie nicht loswerden; wäre sie nicht ein Kannibale, sie würde längst den Erdkreis beherrschen. Die Katze kommt an dritter Stelle, hat einige ähnliche Eigenschaften, ist aber ein schwächeres, zarteres Geschöpf; sie schuftet nicht und spinnt nicht, sie ist dein Parasit, aber sie liebt dich nicht; sie müßte sterben, 7-u existieren aufhören, von der Erdoberfläche verschwinden [ich meine, in ihrer sogenannten domestizierten Form], doch bisher brauchte sie das noch nicht. [Es gibt eine Fabel, eine chinesische, glaube ich, und bestimmt aus der Literatur: von einer Epoche unsrer Erde, als die herrschenden Geschöpfe Katzen waren: nach endlosen Versuchen, mit den Qualen des Daseins - Hunger, Pest, Krieg, Ungerechtigkeit, Dummheit, Habgier — in einem Wort, der zivilisierten Regierungsform — fertig zu werden, beriefen sie einen Kongreß der weisesten Katzenphilosophen ein, um zu erfahren, ob etwas getan werden könne, doch nach einer langen Beratung waren sich alle einig, daß das Dilemma, das Problem selbst unlösbar wäre und die einzige praktische Lösung die sei, es aufzugeben, zu verzichten und zu entsagen, indem man unter den niedrigeren Geschöpfen eine Rasse wählte, die optimistisch genug sei, um zu glauben, die mißliche Lage der Sterblichen könnte behoben werden, und die unwissend genug sei, um zu einer gescheiteren Erkenntnis zu gelangen. Das ist der Grund, weshalb die Katze jetzt bei uns lebt und in bezug auf Futter und Schutz völlig abhängig von uns ist, jedoch keine Pfote für uns hebt und uns nicht liebt — mit einem Wort: uns so anblickt, wie sie's tut.]

Den Hund setze ich an die vierte Stelle. Er ist mutig, treu, eingleisig in seiner Ergebenheit; auch er ist dein Parasit: sein Fehler [im Vergleich zur Katze] besteht darin, daß er für dich arbeiten will — ich meine, willig und gern, und jeden Trick nachäfft, einerlei, wie albern, nur um dich zu unterhalten und am Kopf getätschelt zu werden; er ist ein zuverlässiger und erstklassiger Parasit, nur hat er den Fehler, ein Kriecher zu sein, weil er glaubt, daß er auch Dankbarkeit zeigen müsse; um dich zu unterhalten, wird er seine eigene Würde erniedrigen und schänden; als Erwiderung auf einen Fußtritt wedelt er mit dem Schwanz; im Kampf läßt er sein Leben für dich und trauert über deinem Gebein, bis er verhungert ist. Das Pferd setze ich an die letzte Stelle. Da es ein Geschöpf ist, das jeweils nur einen einzigen Gedanken fassen kann, sind Ängstlichkeit und Furcht seine Haupteigenschaften. Jedes Kind kann ein Pferd dazu verleiten und verführen, daß es sich die Beine oder das Herz bricht, indem es zu weit und zu schnell läuft oder über Hindernisse springt, die zu breit oder zu schwierig oder zu hoch sind; wenn es nicht wie ein Baby beaufsichtigt wird, frißt sich's zu Tode, weil es sich überfrißt; wenn es nur ein Körnchen von der Intelligenz der unterentwickelten Ratte hätte, dann wäre es nicht Roß, sondern Reiter.

Das Maultier setze ich an die zweite Stelle. Aber nur deshalb bloß an die zweite, weil du's dazu bewegen kannst, daß es für dich arbeitet. Doch auch das nur innerhalb seiner eigenen, strengen, selbst festgesetzten Regeln. Es gestattet sich nicht, zuviel zu fressen. Es zieht einen Wagen oder Pflug, aber es macht nicht bei einem Wettrennen mit. Nie springt es über irgendein Hindernis, wenn es nicht von vorneherein ganz sicher weiß, daß es damit fertig wird; nie wird es einen Ort betreten, von dem es nicht aus eigener Erfahrung weiß, was sich am andern Ende befindet; geduldig wird es zehn Jahre lang für dich arbeiten, wenn sich dafür Gelegenheit bietet, ein einziges Mal nach dir auszuschlagen. Mit einem Wort: frei von Verpflichtungen gegenüber seinen Vorfahren und frei von Verantwortung gegenüber der Nachwelt, hat es nicht nur das Leben, sondern auch den Tod besiegt und ist daher unsterblich; müßte es heute von der Erde verschwinden, so würde die gleiche biologische Zufallskombination, die es gestern erschuf, es heute in tausend Jahren wiederum erschaffen : unverändert, nicht verwandelt, noch immer unverbesserlich innerhalb der Grenzen, die es selbst geprüft und erprobt hat; noch immer frei, noch immer überlegen.  - (spit)

 

Intelligenz Handeln, tierisches

 

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Verwandte Begriffe
Spott, tierischer
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