pott   So weit sind die Gefangenen davon entfernt, sich durch all das, was man ihnen antut, beugen zu lassen, daß sie im Gegenteil während der zwei oder drei Monate ihrer Gefangenschaft eine frohgemute Haltung zur Schau tragen; sie stacheln ihre Herren dazu an, sie doch schnell dieser Prüfung zu unterwerfen; sie fordern sie heraus, beleidigen sie, werfen ihnen ihre Feigheit und die Zahl der Schlachten vor, die sie gegen die ihren verloren haben.

Ich besitze ein Lied, das ein Gefangener verfaßte und in dem sich diese Spottrede findet:

Mögen sie nur kühnlich kommen allesamt und sich versammeln, um von ihm zu essen; denn sie werden damit doch nur ihre eigenen Väter und Ahnen verzehren, die seinem Leib zu Speise und Nahrung gedient haben. Diese Muskeln, sagt er, dieses Fleisch und diese Adern sind die euren, arme Narren, die ihr seid; ihr merkt nicht, daß Saft und Mark der Glieder eurer Ahnen noch darin wohnen: laßt sie euch munden, ihr werdet darin den Geschmack eures eigenen Fleisches finden.

Eine Erfindung, die in keiner Weise nach Barbarei klingt. Jene, die sie im Sterben schildern und den Vorgang ihrer Niederschlachtung beschreiben, zeigen den Gefangenen, wie er denen, die ihn töten, ins Gesicht speit und ihnen Fratzen schneidet. Sie hören fürwahr bis zum letzten Atemzug nicht auf, ihnen zu trotzen und sie mit Worten und Mienen herauszufordern. - (mon)

Spott (2)  

Gießen, im Februar 1834.

Ich verachte niemanden, am wenigsten wegen seines Verstandes oder seiner Bildung, weil es in niemands Gewalt liegt, kein Dummkopf oder kein Verbrecher zu werden — weil wir durch gleiche Umstände wohl alle gleich würden und weil die Umstände außer uns liegen. Der Verstand nun gar ist nur eine sehr geringe Seite unsers geistigen Wesens und die Bildung nur eine sehr zufällige Form desselben. Wer mir eine solche Verachtung vorwirft, behauptet, daß ich einen Menschen mit Füßen träte, weil er einen schlechten Rock anhätte. Es heißt dies, eine Roheit, die man einem im Körperlichen nimmer zutrauen würde, ins Geistige übertragen, wo sie noch gemeiner ist. Ich kann jemanden einen Dummkopf nennen, ohne ihn deshalb zu verachten; die Dummheit gehört zu den allgemeinen Eigenschaften der menschlichen Dinge; Rir ihre Existenz kann ich nichts, es kann mir aber niemand wehren, alles, was existiert, bei seinem Namen zu nennen und dem, was mir unangenehm ist, aus dem Wege zu gehn. Jemanden kränken, ist eine Grausamkeit; ihn aber zu suchen oder zu meiden, bleibt meinem Gutdünken überlassen. Datier erklärt sich mein Betragen gegen alte Bekannte: ich kränkte keinen und sparte mir viel Langeweile; halten sie mich für hochmütig, wenn ich an ihren Vergnügungen oder Beschäftigungen keinen Geschmack finde, so ist es eine Ungerechtigkeit; mir würde es nie einfallen, einem andern aus dem nämlichen Grunde einen ähnlichen Vorwurf zu machen. Man nennt mich einen Spötter. Es ist wahr, ich lache oft; aber ich lache nicht darüber, wie jemand ein Mensch, sondern nur darüber, daß er ein Mensch ist, wofür er ohnehin nichts kann, und lache dabei über mich selbst, der ich sein Schicksal teile. Die Leute nennen das Spott, sie vertragen es nicht, daß man sich als Narr produziert und sie duzt; sie sind Verächter, Spötter und Hochmütige, weil sie die Narrheit nur außer sich suchen. Ich habe freilich noch eine Art von Spott, es ist aber nicht der der Verachtung, sondern der des Hasses. Der Haß ist so gut erlaubt als die Liebe, und ich hege ihn im vollsten Maße gegen die, welche verachten. Es ist deren eine große Zahl, die, im Besitz einer lächerlichen Äußerlichkeit, die man Bildung, oder eines toten Krams, den man Gelehrsamkeit heißt, die große Masse ihrer Brüder ihrem verachtenden Egoismus opfern.  - Georg Büchner, nach (narr)

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