chwulenehe Mein
Laster, von dem ich durch Elise geheilt zu
werden glaubte, ist in mir mehr denn je. Freilich, ich enthalte mich seiner.
Aus Achtung für Elise begehe ich keinerlei Fehltritt mehr. Wie eine Mauer ragt
sie zwischen meiner Seele und meinem Leib, aber indem sie derart meine Seele
von meinem Leibe getrennt hält, häuft sie nicht Zorn auf Zorn gegen sich in
mir an, wenn ihre Gegenwart machtlos ist gegen meinen Wahnsinn, den sie nur
aufs äußerste reizt? Mein Laster ist aus seinem Halbschlaf erwacht. Es hat mein
Fleisch durchdrungen, sich meiner Glieder bemächtigt. Es verhext meine Hände.
Da ist keine Pore an meinem ganzen Leibe, die nicht zumindest durch die Begierde
teilhat an allen Sakramenten der Hölle, derart daß
diese Inbrunst bisweilen das Blendwerk einer Phosphorspur erzeugt, die ich hinter
mir herziehe. - Marcel Jouhandeau, Herr
Godeau heiratet. In: M. J., Elise. Reinbek bei Hamburg
1968 (zuerst 1933 ff.)
Schwulenehe (2) Ihr
Leben floß ereignislos dahin. René Lantulé, von Claude verhätschelt, verbrachte
genüßliche Tage und hielt sein Innenleben in gewissenhafter Ordnung. Er hatte
natürliche Anlagen fürs Kochen und nahm sich der kleinen Aufgaben des Haushalts
mit umsichtiger Sorgfalt an. Claude hatte, intelligent wie er war, seine Erbschaft
in ein sicheres Geschäft investiert; den Tag über begab er sich in sein Büro
und steuerte mit Geschick sein Schiff, auch wenn er in Wirklichkeit einen R
4 benutzte. Gegen 6 Uhr abends ordnete er die Papiere, schloß die Schubladen
und nahm voller Freude den Weg ins kuschelige Heim, wo ihn René erwartete, der
an irgendwelchem Kleinkram strickte. Dort, unter
der Stehlampe, machten sie Pläne für die Zukunft, und Claude fühlte manchmal,
wie sein Herz dahinschmolz, wenn er an die »Kino-Revue« dachte, deren allwöchentliche
Ausgabe sie mit einem Gefühl lasen, das der Dankbarkeit ähnelte. -
Boris Vian, Der Voyeur. 13 unanständige Geschichten. Berlin 1989
(zuerst ca. 1955)
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