Reliquie  Am ersten haben wir Heiligtümer von unserem Heiler Jesu Christo: Von dem Badschwamme, daraus Gott getränkt wurde am Kreuzstamme, dann vom Erdreiche des Grabes unseres Herrn, auch vom Steine, darauf er am Ölberge gebetet hat. - Weiteres eine Schnur, womit das Antlitz Gottes des Herrn gemessen worden ist; sodann vom Brote, wovon Gott der Herr mit seinen Jüngern gegessen hat; auch etliche Stücklein Weißbrot, das Gott der Herr mit einem Messer geschnitten hat.

Wir besitzen von dem Erdreich, auf dem Jesus gestanden ist, als er gen Himmel fuhr, von dem Berg Kai varia, darauf Gott der Herr gemartert worden ist, und vom heiligen Grabe. - Wir haben außerdem vom Schweißtuche Jesu Christi und von dem Kleide, worin Gott der Herr zum Leiden seiner bitteren Marter geführt worden ist.

Merke, so ist auch mehr vorhanden ein Teil des weißen Lei nentuches in der oberen Weite, darein unser Herr Jesus Chrisj gewickelt worden ist von Joseph, als er ihn vom Kreuze nahm Man sieht darin noch Zeichen seines Blutes. Man fand in diesen Stücke einen Zettel eingewickelt, der war in Latein beschriebe« seine Meinung lautet in Deutsch also: »Im Namen des Herrn! Amen. Item, das ist Heiligtum von dem Leichentuche, in da unser Herr Jesus Christus gewickelt worden ist vom selige» Joseph und in dem er dann ins Grab gelegt wurde. Billig wira solches zu Herzen genommen und ist zu aller Menschen Ge dächtnis; denn darin hat geruht die Menschheit des Heilers alle: Welt, die genommen war von der unvermählten Jungfrau Maria.« Durch solches mag man wohl erkennen, daß der allmäch tige Gott diesen Berg und diese Stätte liebte, weil er ein solches Heiligtum und einen solchen Schatz hierher geschickt hat. Del wäre doch selbst zu Rom ein großes Heiligtum und genugsam zu bewundern!

Mehr sind hier vorhanden etliche Stücke vom Stamme desheiligen Kreuzes, das je ein Herr nach dem andern zu diesem Gotteshaus gebracht hat. Besonders haben wir auch ein merkliches Stück des Kreuzes Christi, das in einer kostbaren Fassung ist, einem großen vergoldeten Kreuze. An ihm sind wir vom ewigen Tode erlöst worden.

Mehr ist vorhanden ein Stücklein - bei einer Spanne lang - von einem Gürtel, den Maria über ihrem reinen, keuschen Leib getragen hat. Darein ist das Wort »Caritas« mit Gold gewirkt, heißt zu deutsch: die Liebe.

Mehr ist vorhanden eine lange, weiße Stola, welche die Mutter Gottes mit ihren reinen Händen gewirkt hat. Mehr ist vorhanden ein langes Stück - bei einer halben Elle lang und bei einer Spanne breit - unten vom Saume des Rockes Maria. Es ist schwarz.

Mehr ist in einem Grabe vor dem Kloster in einer Kapelle der selige ganze Leib Sankt Michildis, der aus dem Altare genommen ist.

Mehr ist in einer hübschen Tafel der halbe Leib der heiligen Jungfrau Sankt Juliana aus königlichem Stamme, die entweder eine Schwester der heiligen Ursula oder Geschwisterkind mit ihr war.

Mehr sind da gefunden worden viele große merkliche Stücke Heiligtums und Gebeine der lieben Heiligen. Es waren auch treffliche Schriften dabei, aber sie wurden von den Reliquien getrennt, und so weiß man nicht, von welchen Heiligen die einzelnen Stücke sind. Deshalb sind sie aber nicht minder zu ehren.

Nun so viele große und merkliche Schätze von Heiligtümern hier stehen, so möge doch jeder Mensch wohl verstehen, daß noch viel mehr Stücke von Heiligtümern mit wahren Schriften vorhanden sind; man schätzt sie an die tausend.

Einen kleinen Teil davon nennen wir: Es sind vorhanden an Heiligtümern: Einige Zweiglein vom Busche des Moses, sie sind sichtlich unverbrannt; einiges Wachs von einer Kerze zu Jerusalem, die von himmlischem Feuer entzündet worden war; vom Öle, das auf dem Berge Sinai aus Sankt Katharinens Grab fließt; ein Haarbüschlein von Maria Magdalena, der heiligen Büßerin, womit sie die heiligen Füße Gottes des Herrn getrocknet hatte; ein ganzer Finger vom heiligen Sankt Anton, Haut und Fleisch sind davon ganz abgedorrt; vom Haare Sophia; vom Barte des Sankt Johannes, des Gottestäufers; ein Zahn des heiligen Zwölfboten Sankt Peters; ein Finger von Sankt Niklas; ein Finger von Sankt Remedius; ein Fingerglied von Sankt Veit; und viel mehr wunderlicher Dinge, durch deren aller Verdienen und Marter verleih uns Gott der Herr das ewige Leben. Amen. - Reliquienverzeichnis  des Benediktinerinnenklosters Hohenwart, nach: Der Rabe, Magazin für jede Art Literatur Nr. 37, Zürich 1993

Reliquie  (2)  Als dem Dudley in diesem Lande zu heiß wurde, zumalen er den General Monck geplündert hatte, welcher ihm ungemein scharf nachstellen ließ, sah er sich genötiget, nach Frankreich zu fliehen, von wannen er nach Rom reisete, allwo er sich wirklich in einem schlechten Stande befand; weil er aber ein Pilgrims-Habit anhatte und vorgab, er käme von Jerusalem her, woselbsten er das heilige Grab nebst anderen heiligen Örtern, an die sich Pilger zu begeben pflegen, besuchet, begehrte er, man möchte ihm bei dem Papst Audienz verschaffen, damit er den Segen oder, welches sein eigentlicher Zweck war, Geld von ihm erhalten möchte, welches Seine Heiligkeit gemeiniglich den Pilgern bei Zurückkunft von dergleichen heiligen Plätzen mitzuteilen pflegete. Weil nun dem Dudley von einem Kardinal berichtet worden, er könnte nicht eher vor Seiner Heiligkeit Augen gelassen werden, er müßte denn einige Reliquien aufzuweisen haben, ließ sich unser heilloser Pilgrim vernehmen, er hätte eine sehr schätzbare in seinem Logement. Hiermit nahm er seinen Abschied; und indem er, auf ein solches Heiligtum spintisierend, in der Stadt herumstreifte, hörete er, daß vor wenig Tagen eine alte fette Wirtin, weil sie einem von ihren Gästen eine heimliche Beförderung zum Himmel gegeben, gehangen, nachgehends aber den Chirurgen, um anatomieret zu werden, überliefert worden; da fiel dem gottlosen Kerl ein verteufelter und sehr garstiger Streich ein, den ich zu erzählen aus Schamhaftigkeit und anderer Ursachen wegen Bedenken trage. - (spitz)

Reliquie  (3)  Karl dem Großen wurde schon zu Lebzeiten manch seltene Gnade zuteil. Ein Engel übergab ihm die Vorhaut Jesu, die seit dessen Beschneidung im Tempel verschollen gewesen war. Karl nahm sie ehrfürchtig entgegen und ließ sie im Dom zu Aachen beisetzen. Später aber überführte er sie nach Carosium; in unseren Tagen soll sie in der Kirche Sancta Sanctorum in Rom ruhen — zusammen mit Jesu Nabelschnur und seinen Schuhen.   - Albert Christian Sellner, Immerwährender Heiligenkalender. Frankfurt am Main 1993

Reliquie  (4) »Ihr werdet sehen, daß Ihr gar bald dem Ritter Walter von Montsoreau aus dem schönen Touranerlande zu Dank verpflichtet seid.«

»Besitzt Ihr denn eine wundertätige Reliquie, in der Euer Glück seine Wohnstatt hat ?« fragte der Venezianer.

»Einen Talisman, den mir meine Mutter mitgegeben hat«, erwiderte der Touraner, »einen Zauberstab, mit dem sich auch Schlösser und Städte erbauen und zerstören lassen, einen Hammer, mit dem man Münzen schlägt, ein Heilmittel, das alle Übel kuriert, einen Wanderstab, den man zum Pfand setzen kann und der viel einbringt, wenn man ihn verpfändet, ein Wunderwerkzeug, das in allen Schmiedestätten traumhafte Geschmeide herstellt, ohne dabei Lärm zu machen.«

»Ei! Bei Sankt Markus l Ihr tragt ein Geheimnis in Eurem Panzerhemd!«

»Mitnichten«, versetzte der fränkische Ritter, »es ist ein ganz natürliches Ding, da, schaut nur her!«

Und mit einmal erhob sich Walter vom Tisch, um zu Bett zu gehen, und wies seinem Waffenbruder das schönste und stattlichste Werkzeug zum Freudenspenden, das der Venezianer je zu Gesicht bekommen hatte.

»Dies«, sprach der Franzose, während sie sich beide nach , damaliger Sitte zusammen ins Bett legten, »räumt alle Hindernisse beiseite, denn es verhilft mir zur Macht über die Herzen der Frauen; und weil die Frauen an diesem Hof Königinnen sind, wird es nicht lange währen, und Euer Waffenbruder Walter ist hier der Herr.«

Der Venezianer konnte sich lange nicht erholen, so erstaunt und überwältigt war er vom Anblick der heimlichen Prächte seines Freundes, der in der Tat von seiner Mutter

und wohl auch von seinem Vater wunderbar ausgerüstet worden war und daher allenthalben sieghaft und erfolgreich sein mußte, zumal sich zu dieser prachtvollen, überwältigenden Männlichkeit der schlagfertige Witz eines frechen jungen Pagen und die  Weisheit eines schlauen alten Teufels gesellten.  - (drast)

Reliquie  (5) Die revolutionäre kubanische Regierung erlaubte den Regimeflüchtigen nicht, alle ihre religiösen Utensilien mitzunehmen.

Einzelne heilige Ketten, Muscheln, Steine konnten durch die Kontrollen geschmuggelt werden, grössere Devotionalien und Paramente, Einweihungsroben, üppige Perlengehänge, heilige Suppenterrinen und Zuckerdosen, Bluttöpfe, vor allem aber das Olofi mussten zurückbleiben.

Das Olofi verkörpert die geistliche Kraft des Schöpfers aller Dinge. Es ist die höchste Reliquie der afrokubanischen Religionen, Herstellung und Ingredienzien wurden angeblich aus Afrika tradiert, insgesamt gab es etwa 20 Olofis in Kuba, die an 20 der höchsten Orakelpriester vererbt wurden.

Das Wissen um die Herstellung der Olofis hatte sich verloren; einige Exilkubaner behaupten, dass es einen einzigen Neger auf Kuba gebe, der ein Olofi herstellen könne.

Es handelte sich um eine Metalldose, etwa in der Art eines Farbtopfes, mit geheimem Inhalt, darunter einem Stück Knochen vom Hinterkopf eines Elefanten.

Das Olofi darf nicht in Berührung mit Frauen kommen. Es darf nicht in einem Raum aufbewahrt werden, den Frauen betreten. Jeder Versuch, ein Olofi aus Kuba im Diplomatengepäck oder durch Stewards herauszubringen, ist bisher gescheitert.

Ohne Olofi aber kann kein wirklicher Orakelpriester, Babalawo geweiht werden.

Die Weihen zum Babalawo finden in Miami nur halb statt, die alten Babalawos sterben dahin.  - Anhang zu (pet)

Reliquie  (6) Fra Nicolo da Narni, der in Agata verliebt ist, erreicht das Ziel seiner Wünsche. Der Gatte kommt nach Hause, und die Frau sagt, der Mönch habe sie durch einige Reliquien gesund gemacht. Er findet die Hosen des Mönches zu Häupten des Bettes und gerät darüber in Zorn. Die Frau sagt, sie hätten dem heiligen Greif gehört, und der Gatte glaubt es. Der Mönch führt dann die Hosen in feierlicher Prozession ins Kloster zurück. - Masuccio, Novellino. Berlin 1988 (zuerst ca. 1450)
 
 

Reste Heiligkeit

 

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