ensch,
mißratener
Da ist ein mißratener Mensch, der nicht genug Geist besitzt, um sich dessen
freuen zu können, und gerade Bildung genug, um das zu wissen, gelangweilt, überdrüssig,
ein Selbstverächter; durch etwas ererbtes Vermögen leider noch um den letzten
Trost betrogen, den "Segen der Arbeit", die Selbstvergessenheit im
"Tagewerk"; ein solcher, der sich seines Daseins im Grunde schämt
— vielleicht herbergt er dazu ein paar kleine Laster — und andererseits nicht
umhin kann, durch Bücher, auf die er kein Recht hat, oder geistigere Gesellschaft,
als er verdauen kann, sich immer schlimmer zu verwöhnen und eitel-reizbar zu
machen: ein solcher durch und durch vergifteter Mensch — denn Geist wird Gift,
Bildung wird Gift, Besitz wird Gift, Einsamkeit wird Gift bei dergestalt Mißratenen
— gerät schließlich in einen habituellen Zustand der Rache,
des Willens zur Rache ... was glaubt ihr wohl, daß er nötig, unbedingt nötig
hat, um sich bei sich selbst den Anschein von Überlegenheit über geistigere
Menschen, um sich die Lust der vollzogenen Rache, wenigstens für seine Einbildung,
zu schaffen? Immer die Moralität, darauf darf man wetten, immer die großen Moralworte,
immer das Bum-bum von Gerechtigkeit, Weisheit, Heiligkeit, Tugend, immer den
Stoizismus der Gebärde (— wie gut versteckt der Stoizismus
was einer nicht hat! ...), immer den Mantel des klugen Schweigens, der Leutseligkeit,
der Milde, und wie alle die Idealistenmäntel heißen, unter denen die unheilbaren
Selbstverächter, auch die unheilbar Eitlen, herumgehen. Man verstehe mich nicht
falsch: aus solchen geborenen Feinden des Geistes entsteht mitunter jenes seltene
Stück Menschtum, das vom Volke unter dem Namen des Heiligen, des Weisen verehrt
wird, aus solchen Menschen kommen jene Untiere der Moral her, welche Lärm machen,
Geschichte machen, — der heilige Augustin gehört
zu ihnen. - (
frw
)