riegsgrund Die Nambikwara verlassen sich auf die Großzügigkeit des Partners. Die Vorstellung, daß man abwägen, diskutieren oder handeln, fordern oder eintreiben kann, ist ihnen völlig fremd. Ich hatte einmal einem Eingeborenen ein Buschmesser als Gegenleistung für die Übermittlung einer Botschaft an eine benachbarte Gruppe angeboten. Als er zurückkehrte, versäumte ich, ihm die versprochene Entschädigung sofort zu geben in der Annahme, er würde sie sich holen kommen. Aber nichts geschah; am nächsten Morgen konnte ich ihn nicht finden, denn er war fortgegangen, sehr verärgert, wie mir seine Gefährten berichteten, und ich habe ihn nie wiedergesehen. Ich mußte das Geschenk einem anderen Eingeborenen anvertrauen. Unter diesen Umständen überrascht es wohl nicht, daß sich eine der Gruppen nach einem solchen Austausch unzufrieden über ihren Anteil zurückzieht und wochen- oder monatelang (beim Vergleich der Neuerwerbungen mit den eigenen Gaben) eine Bitterkeit empfindet, die immer aggressiver wird.
Oft haben Kriege keine andere Ursache. Natürlich
gibt es auch andere Gründe, wie zum Beispiel einen Mord oder einen Frauenraub,
der unternommen oder gerächt werden muß; aber es sieht nicht so aus, als ob
sich eine Horde kollektiv zu Repressalien verpflichtet fühlt, wenn einem ihrer
Mitglieder ein Schaden zugefügt wurde. Doch aufgrund der Feindseligkeit, die
ohnehin zwischen den einzelnen Gruppen herrscht, werden solche Vorwände gern
aufgegriffen, besonders wenn man sich stark fühlt. Das Projekt wird von einem
Krieger verkündet, der seine Beschwerden in demselben näselnden Tonfall und
in demselben Stil vorbringt, in dem die Begegnungsgespräche stattfinden: »He!
Kommt her! Gehen wir! Ich bin zornig! Sehr zornig! Pfeile! Große Pfeile!« Mit
besonderem Schmuck angetan - rotbemalten Strohquasten und Helmen aus Jaguarfell
-, versammeln sich die Männer unter Führung des Häuptlings und tanzen. Ein die
Zukunft voraussagendes Ritual muß vollzogen werden; der Häuptling oder der Zauberer
(wo es ihn gibt) versteckt einen Pfeil irgendwo im Busch. Am nächsten Tag wird
er wieder zurückgeholt. Ist er mit Blut befleckt, dann entscheidet man sich
für den Krieg, wenn nicht, verzichtet man darauf. Viele der so begonnenen Expeditionen
enden nach wenigen Kilometern Fußmarsch. Aufregung und Begeisterung verrauchen,
und der Trupp kehrt zu seinem Lager zurück. Manche jedoch werden bis zum Ende
geführt und können blutig sein. Die Nambikwara brechen bei Morgengrauen auf
und legen sich im Busch verteilt auf die Lauer. Das Zeichen zum Angriff wird
von einem zum anderen weitergegeben, mittels der Pfeife, die jeder Eingeborene
um den Hals trägt. Dieses Instrument, das aus zwei mit Baumwollfäden zusammengebundenen
Bambusröhrchen besteht, ahmt das Zirpen der Grillen nach und trägt wahrscheinlich
aus diesem Grund den Namen dieses Insekts. Die Kriegspfeile sind mit denen identisch,
die man normalerweise für die Jagd auf große Tiere verwendet; nur werden in
ihre lanzenförmige Spitze einige Zähne geschnitten. Die
mit Curare vergifteten Pfeile, die bei der Jagd üblich sind, werden niemals
im Krieg verwendet. Der Verwundete könnte ihn herausreißen, bevor das Gift Zeit
gehabt hätte, sich im Körper zu verbreiten. - (
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