iftmischer
Für einen Menschen, dessen Wünsche mit jeder Befriedigung nur
unersättlicher wurden, hatte eine Kunst, die so leichte Mittel bot, zu jedem
Ziel zu gelangen, zuviel Reiz, als daß er sie sogleich nach dem ersten Versuch
ungebraucht beiseite gelegt hätte. Vielmehr betrieb er jetzt deren Studium nur
mit um so größerem Eifer. Die Gifte, die er anfertigte, waren so fein, daß ihn
ein einziger Atemzug von ihnen töten konnte. Er nahm bei seinen Zubereitungen
deshalb eine gläserne Maske vor, um die Ausdünstungen des Gifts von sich abzuhalten.
Eines Tages aber fiel ihm die Maske vom Gesicht, und er war auf der Stelle tot.
- (
pit
)
Giftmischer
(2) Es ist jetzt genau sieben uhr und im nebenzimmer
gibt ein giftmischer seinen kleinen töchtern eine vorstellung mit der laterna
magica. Das weite mineralienkabinett besitzt einen feinklingelnden glaslüster
und ist mit rotem plüsch gut abgedunkelt. Die grosse weisse hand des giftmischers
schiebt die buntbemalten glasplättchen sorgsam hinter die optische linse. Eine
bauernfrau erscheint an der wand, ein tisch mit geschlachteten gänsen, veilchenverkäuferinnen,
die unter dem triumphbogen frieren, die sieben raben mit ihrem schwesterchen,
das sich den zeigefinger abschneidet, ritter Blaubart, ein stück edamer käse,
in den eine sehr dicke maus ein loch frisst, Schneeweisschen und Rosenrot und
eine mit flittertand geschmückte schaubude, aus der du nicht mehr herauskommst
. . .- H.C. Artmann,
Das im Walde verlorene Totem. Salzburg 1970
Giftmischer (3) Die Nambikwara sind ausgezeichnete Giftkenner. Für ihre Pfeile bereiten sie Curare, indem sie aus der roten Haut bestimmter strychnos-Wurzeln ein Gebräu herstellen, das sie so lange über dem Feuer verdampfen lassen, bis die Mischung eine teigige Konsistenz erlangt hat; daneben verwenden sie noch andere Pflanzengifte, die jedermann in Form von Pulver in einem mit Baumwoll- oder Rindenfasern verschnürten Röhrchen aus Federn oder Bambus mit sich führt. Diese Gifte dienen der Rache in kommerziellen oder Liebesangelegenheiten.
Neben diesen Giften wissenschaftlicher Art, welche die Eingeborenen ganz
offen zubereiten, ohne jene komplizierten magischen Vorsichtsmaßnahmen zu beachten,
die weiter im Norden die Herstellung des Curare begleiten, besitzen die Nambikwara
noch andere, geheimnisvollere Gifte. In denselben Röhrchen, in denen sie das
echte Gift aufbewahren, sammeln sie Harzteilchen, die ein Baum der Gattung bombax
absondert, dessen Stamm in der Mitte eine Schwellung
aufweist; sie glauben, daß der Gegner, der von einem solchen Teilchen getroffen
wird, in der gleichen Weise anschwillt wie der Baum und stirbt. Aber ob es sich
nun um wirkliche Gifte oder um magische Substanzen handelt, die Nambikwara bezeichnen
sie alle mit demselben Terminus nandé. Dieses Wort sprengt also die enge
Bedeutung, die bei uns das Wort Gift hat. Es konnotiert jede Art von bedrohlichen
Handlungen sowie alle Produkte und Gegenstände, die zur Ausführung solcher Handlungen
dienen können. -
(str2)
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