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Festigkeit (2) Ich erinnere mich an einen Edelmann, der fast am gleichen Tag seinen einzigen Sohn und sein halbes Vermögen verloren hatte. Man erwartete Äußerungen des Schmerzes und Kummers; doch zu seinem Unglück galt er als ein Muster an Vernunft, als ein Held an seelischer Festigkeit, als ein abgeklärter Mensch, und damit ist alles gesagt. Er hatte Geschmack gefunden an dem Bild, das man sich von ihm machte, und mußte es nun in seinem doppelten Unglück aufrechterhalten. Ich bedauerte ihn von ganzem Herzen, hatte Mitleid mit ihm wegen der Qualen, die ihm seine gespielte Festigkeit verursachen würden. Und wahrhaftig, der arme Märtyrer des Stolzes vergoß nicht eine Träne, er zeigte sich ungerührt. Er hätte ein paar Seufzer ausgestoßen, hieß es, um seine Stärke offenkundiger zu machen, um den Leuten zu zeigen, daß es kein Mangel an Sensibilität war, wenn er nicht verzweifelte, wie es ein anderer getan hätte. Er machte deutlich, daß auch er, wie die anderen Menschen, sich von den Schwächen seiner Natur unterwerfen lassen konnte, doch daß er die Kraft hatte, sie zu überwinden. Ich begegnete ihm am Tag nach seinem doppelten Unglück und betrachtete sein Gesicht, doch entdeckte ich nur eine Maske, denn die Heiterkeit in Person hätte nicht friedlicher ausgesehen als dieses Gesicht. Oh, sagte ich zu mir selbst, alle Vernunft zusammengenommen hat nicht diese Wirkung, hier ist Verzierung. Und ich vermutete richtig, denn ich wußte zweifelsfrei, daß der Mann, allein in seinem Zimmer, wie eine Frau weinte und verzweifelte und sich seinem Kummer nach Herzenslust hingab, wenn man so sagen darf. Wirklich, ich fand ibn viel schwächer und weibischer, wenn er seine Maske vor den Menschen wieder aufnahm, da kam er mir viel kleinmütiger vor. Denn sich der Qual zu unterwerfen, seinen Schmerz zu empfinden, aber den Ruhm haben zu wollen, für einen bewundernswürdig unerschütterlichen Menschen zu gelten, diese Eiteilkeit würde ich nur einer Frau vergeben, da ihr Geschlecht schwächer ist als unseres. Meiner Ansicht nach gibt es keine größere Schwäche als den Hochmut, Tugenden zu heucheln, die man nicht hat; das ist eines listigen, eingebildeten Geschöpfes wie der Frau würdig. Stimmt es nicht?
Der Komödiant wurde bewundert, doch seine
Torheiten kamen ihn teuer zu stehen, denn soviel ich mich erinnere, starb er
an dem Zwang, den er sich ihretwegen auferlegen mußte: seine Komödie
brachte ihn um. -
(mariv)
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