etektivagentur Die
Pinkerton-Agentur hatte prosperiert, nachdem einer ihrer Direktoren, James McParland,
im Jahre 1875 die terroristische Arbeiterbrüderschaft
der Molly Maguires unterwandert und zerschlagen hatte. Diejenigen, die man im
ersten Viertel des 20. Jahrhunderts «die Pinkertons» nennt, sind bewaffnete
Streikbrecher, Spitzel und Agents provocateurs. Hammett
hat sich bei Pinkerton eher mit den sprichwörtlichen «Ermittlungen und Beschattungen»
beschäftigt. Jedenfalls ist es - abgesehen davon, daß seine Erfahrung ihm sozusagen
eine Goldmine an echten Details liefert - nicht gleichgültig, daß der Arbeitgeber
im ersten Beruf des Schriftstellers ein Dienstleistungsunternehmen ist, das
auf den praktisch angewandten Klassenkampf spezialisiert war.
- Jean-Patrick Manchette, Chroniques. Essays
zum Roman noir. Heilbronn 2005 (DistelLiteraturVerlag, zuerst 1996)
Detektivagentur
(2) Kaum eine zweite Gestalt in dem großen
Haarmann-Prozesse ätzt sich so ehern in die
Erinnerung ein, wie dieser „Kriminalkommissarius a. D. Olfermann", Beamter
eines Herrn v. Willms, welcher vorsteht dem vom „Niedersächsischen Adelsbund"
begründeten Detektivinstitut „Heimschutz". Ein stocksteifer, langer, dürrer,
von moralischer Entrüstung geschwellter Würdeherr, in schwarzem Gehrock mit
dunklen Glacéhandschuhen; die Augen hinter einer goldenen Brille verborgen;
in jeder Bewegung der untadelige, honorige, gestrenge Beamte, mit sonorem Pathos
unter Eid jede nähere Bekanntschaft mit Haarmann entrüstet ableugnend und weit
von dem Verbrecher abrückend, bis ihm Schritt um Schritt nachgewiesen wird,
daß er mehrfach von Haarmann Geld und Geschenke angenommen hat, daß er mit Haarmann
in vielen Fällen zusammen, arbeitete und schließlich, als er am 1. April 1923
aus seiner Detektivzentrale ausschied, dem Haarmann gemütlich den Vorschlag
machte, gemeinsam ein eigenes Detektivgeschäft zu gründen, denn Haarmann hatte
es verstanden, ganz in das Vertrauen des wohlhabenden aber immer auf neue Verdienstmöglichkeiten
erpichten, nicht allzu wählerischen aber doch hochbürgerlich korrekten Herrn
sich einzuschleichen. Er erzählte bei gemeinsamen Beratungen im Café, im Restaurant,
in seiner oder in Olfermanns Wohnung von seinen guten Beziehungen zu Verbrechern
und Polizei, von neuen „Methoden" in der Entdeckung von Verbrechen, nach
denen er „arbeitete" und hatte den Olfermann schließlich so weit, daß sie
gemeinsam begründeten das „Amerikanische Detektivinstitut Lasso". (In der
Tat das Lasso, welches Haarmann fortan zum Einfangen seiner Mordopfer auszuwerfen
pflegte.) — Haarmann ließ einen Stempel verfertigen, Olfermann stempelte in
Haarmanns Wohnung verschiedene Ausweise, welche mit einem Lichtbild versehen
wurden und folgendermaßen lauteten: „Inhaber dieser Karte ist Detektiv der „Lasso"
und arbeitet für das Hannoversche Polizeipräsidium. Er bittet alle in Ausführung
seines Berufes um Beistand. Lasso Detektive." — Von diesem Ausweis machte
fortan Haarmann bei seinen Streifzügen im Bahnhof den ausgiebigsten Gebrauch.
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Theodor Lessing, Haarmann. Die Geschichte eines Werwolfs. Berlin 1925
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