ruderschaft   In einer Spelunke, wo Villon fast jede Nacht angetrunken in einer Ecke saß und an keinem Weltspektakel einen guten Faden ließ, traten die »Muschelbrüder« an ihn heran und nahmen ihn für ein anständiges Handgeld zum aktiven Mitarbeiter auf. Die Gesellschaft der »Coquille« ist in heutiger Sicht so etwas wie eine Partei der Ausgestoßenen. Begründet wurde sie von ehemaligen Soldaten des Hundertjährigen Krieges, die in das bürgerliche oder bäuerliche Leben nicht mehr zurückfinden konnten, die das Beutemachen gelernt und zur Perfektion entwickelt hatten. Diese Escorcheurs bildeten das Hauptkondngent. Hinzu kamen die Beutelabschneider, Diebe und Falschspieler, Fälscher und Einbrecher. Auch bezahlte Mörder waren in dieser Bruderschaft vertreten. Nicht nur Franzosen, sondern auch Ausländer waren Mitglieder.

Das Phantastischste dieser Brüderschaft aber war ihre innere Organisation. Es gab eine Geheimsprache, eine Geheimschrift, sie waren die ersten, die bestimmte Zeichen an Häusern anbrachten, die Aufschluß gaben über Gewohnheiten der Insassen und die Möglichkeiten, Beute zu machen.

Als Erkennungszeichen trug man unter der Kleidung die Pilgermuschel. Bewundernswert war der Nachrichtendienst. Durch geheime Wege und versteckte Orte erreichten in unvorstellbarer Eile die Mitteilungen ihren Empfänger. Vorbildlich waren die Unterstützungskassen und sozialen Hilfen. Keiner der Mitglieder kam in materielle Bedrängnisse; war jemand am fremden Ort, so standen ihm immer Unterkunft, Essen und Hilfe zur Verfügung.

Der »Magister artium«, der Doktor François Villon war so etwas wie ein Sekretär in dieser Geheimgesellschaft. Zunächst war er nur mit schriftlichen Arbeiten betreut, es mußten Eingaben bei der Behörde gemacht werden, um irgendeinem bedrängten und unkundigen Mitglied zu helfen. Oder es waren Nachrichten in fremden Sprachen zu verfassen und Ratschläge auszuarbeiten. Es zeigte sich bald, daß er ein findiger Kopf und für die »Coquillards« glänzend zu gebrauchen war.   - Paul Zech in:  Die lasterhaften Balladen des François Villon. Nachdichtung von Paul Zech. München 1962 (dtv 43, zuerst ca. 1460)

Bruderschaft (2)  Das »Exzentrische« schien das Merkmal zu sein, an welchem eine kleine Anzahl Auserwählter sich untereinander erkannte; es konnte sich ebensogut auf der heroischen Ebene abspielen wie auf der Ebene des Alltags (zum Beispiel: seine Zigarette an der Flamme einer Laterne anzünden, die Leute in den Bedürfnisanstalten zu Fall zu bringen suchen, indem man ihnen von draußen mit der runden Krücke eines Spazierstocks ein Bein anhakt, kurz, irgendeinen üblen Spaß mit einem Höchstmaß bitteren Phlegmas anstellen); es war jedenfalls in erster Linie etwas wie das Kennzeichen einer Brüderschaft.  - (leiris3)

Bruderschaft (3)  Bruderschaften, die unter dem zynischen Namen »Höllenfeuer-Klubs« auf dem Prinzip absoluter Verachtung und Verspottung der herrschenden Religion und Moral fußten und dabei - wie allgemein angenommen wurde - in schändlichen, gotteslästerlichen Orgien schwelgten, wurden am Anfang des 18. Jahrhunderts gegründet und verbreiteten sich während der nächsten 50 bis 60 Jahre wie eine Epidemie über ganz England. Einer dieser Clubs, die de Quincey in seinen Werken erwähnt, war die berüchtigte Brüderschaft der Franziskanermönche, auch Medmenham-Klub genannt, weil er seine Zusammenkünfte im Medmenhamhaus zu Buckinghamshire, einem ehemaligen Zisterzienserkloster abhielt. Zu den bekanntesten Mitgliedern dieses Klubs gehörten der Baronet Sir Francis Dashwood (seit 1763 Lord Le Despencer} und John Wilkes.  - Anm. zu: Thomas de Quincey, Der Mord als schöne Kunst betrachtet. [O. O., Berlin ?] 2002

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