ildhauer  »Und was macht deine Verstopfung?«, er grinst Orten an.

»Heute war ich. Nicht viel, noch zäh, eckig, sah aus wie ein Torso von Zadkine.«

»Kein Wunder, bei dem Namen. Hätte auch Archipenko sein können.«

»Bei mir ist in der letzten Zeit auch nicht viel los«, mischt sich Patera ein. »Allerdings, wenn ich dann muß, nimmt es kein Ende.«

»Brancusi«, sagt Podol, »›Die endlose Säule‹, die hab' ich immer gemocht. Die Verengungen brauchen aber schon eine eigene Peristaltik.«

»Ist es nicht etwas abwegig, euer Thema?«, Maltzahn kommt näher.

»Wieso, wo doch jeder schon in seinem Leben Luftschlösser geschissen hat, irgendwelche. Und du, Olbram? Du dürftest eigentlich nur wie der verdiente Künstler Olbram Maltzahn kacken

»Du wirst dich wundern. Einmal ähnelte es einer Plastik von meiner Frau.«

»Dein Arsch hat noch Anstand.« Sie wissen alle, daß seine Frau ihn unterstützte, bevor er sich mit seinen Bi-Metall-Güssen etabliert hat.

»Rodin müßte schwer sein«, unterbricht Patera Podols Bissigkeiten.

»Vor allem groß! Einmal schiß ich monumental, das war der ›Balzac‹. Aber man braucht Material! Ein ausgiebiger Halbdurchfall ist von der Masse her das Beste. Stank mörderisch.«

»Da kannst du gleich den Bronzeadler von Calders Großvater versuchen.«

»Bis nach Philadelphia brauche ich nicht zu gehen. Das Hus-Denkmal auf dem Altstädter Ring reicht.«

»Und sieht auch so aus«, Orten.

»Deine Zadkine'sche Eckigkeit wundert mich eigentlich, Jan. Bei deinem Sinn für Maß müßtest du lauter kleine Arps scheißen«, bohrt Maltzahn, »deine Gipsstangen dürften allerdings zu sperrig sein.«

»Stellt euch ein Mobile vor«, grinst Patera.

»Oder Gutfreund«, fällt Podol ein, »seine Bürofräulein an Schreibmaschinen, Arbeiter an Fräsen, Angestellte mit Hüten und Aktentaschen — und das.alles in Farbe! Oder zumindest schattiert.«

»Das Chiaroscuro in der Kloschüssel«, schließt Orten. »Bisher ist nur Pointsman darin steckengeblieben. Das Speisen war bis heute allein nur zur Aktion erhoben worden; es geht aber darum, über Dali hinaus, die Defäkation als kunstschaffenden Akt zu verstehen, und umgekehrt! Und danach — merkt euch, Gösselflaum ist das Weichste.«  - Libuše Moníková, Die Fassade. München 1990 (zuerst 1987)

Bildhauer (2)  Es wollte auch nicht in dieser düsteren Gruft bleiben, unter diesen Idolen und Giganten, die ich begraben sein lasse, jetzt, da ich ein Material gefunden habe, das meiner Sternenhände würdig ist.

Er stieß sich an den Gegenständen. Ich bin es nicht mehr gewohnt, mich im Dunkeln zu bewegen -sagte er sich. Obwohl es eher die Gegenstände waren, die ihm entgegentraten und mit ihm zusammenstießen. Die dreibeinigen Schemel trafen seine Schienbeine. Die Tische verharrten nicht, Arbeitstische und Arbeitshocker; sie stürzten sich auf ihn wie Raubtiere. Spitze Kanten, harte Kisten; Prankenhiebe von Tischen, die sich in rasende Bestien verwandelt hatten. Die aus Weiden geflochtenen Wandborde, voller Gerätschaften, griffen von hinten an, ihn zu töten, als jage sie jemand auf ihn. Und da fielen schon Töpfe, Krüge und Tiegel auf ihn herab, Räucherschalen, Schildkrötenpanzer, Schneckenhäuser, Maultrommeln, Okarinas - alles, was er aufbewahrt hatte, um mit Orgien des Lärms die Stille zu verscheuchen -, während die Henkelgefäße, die großen Vorratsvasen, die Guacalfrucht-Becher auf ihn einschlugen mit aller Kraft und von der Decke, aus Wolken von Häuten heulender Ungeheuer, Riemen und Lianenstricke zuckend herniederzischten wie Peitschennattern. Er flüchtete sich in die Nähe der Maske. Er begriff nicht recht, was ihm widerfuhr. Er glaubte noch immer, daß er selber - nicht mehr gewöhnt ans unterirdische Leben -, daß er selber es sei, der gegen die Dinge stieß, mit denen er gelebt und gearbeitet hatte. Und wirklich, als er ruhig stehenblieb, ließ die Feindseligkeit nach, eine Pause entstand, in der er, hartnäckig wie er war, sich aufs neue umsah, nach allen Seiten, als wolle er all die unbeseelten Wesen nach seinem Rauchrohr fragen. Es war nicht da. Er begnügte sich damit, eine Handvoll Tabak in den Mund zu nehmen und die Blätter zu kauen. Aber seltsam. Da bewegten sich die Schlange und der Jaguar auf seiner Holztrommel, mit der er das Gestirn der Edelsteine zu begrüßen pflegte. Und wenn die Tische, die Wandborde, die Hocker, die Henkelkrüge, die Vorratsvasen, die Becher sich beruhigt hatten, so hoben und senkten sich nun die Lider der steinernen Giganten. Sturm wühlte in ihren Muskeln. Jeder Arm war ein Fluß. Sie rückten gegen ihn vor. Er hob die erloschenen Sterne seiner Hände, um sein Gesicht vor dem Fausthieb eines dieser maßlosen Ungeheuer zu schützen. Übel zugerichtet, mit stockendem Atem, das Brustbein eingedrückt von dem Schlag jener steinernen Riesenfaust, sackte er zusammen, als ein zweiter Schlag, mit der offenen Hand, ihm den Kiefer zerschmetterte. Im grünlichen Dämmerdunkel, das Finsternis sein will und es nicht vermag, das Licht sein will und es nicht erlangt, regten sich, in Schlachtordnung gereiht, die Regimenter der Bogenschützen, die er geschaffen hatte, die seinen Händen entstammten, seiner Kunst, seiner Magie. Zuerst von den Flanken, dann direkt von vorne, ohne Kampfschreie auszustoßen, richteten sie die Bogen gegen ihn und beschossen ihn mit vergifteten Pfeilen. Eine zweite Gruppe von Kriegern, auch sie von ihm geschaffen, in Stein gemeißelt von seinen Händen, schwärmte aus, wie ein Fächer sich öffnet, und sie spielten das Spiel der Schmetterlinge, um ihn dann zu umzingeln und anzunageln mit den Stacheln ihrer brandgehärteten Lanzen, anzunageln an die Bretter des Bettes, auf dem er ausgestreckt lag. - Miguel Angel Asturias, Legenden aus Guatemala. Frankfurt am Main 1973 (BS 358)

Bildhauer (3)   Ich hatte mit einer Säge und Axt immer wieder biblische Gestalten aus dem alten Holz gemacht, die lustig waren wie gleich nach der Steinzeit und so alt, daß sie grauenerregt in die Zukunft starrten. Wenn so ein Hansdampf kam, wie ich immer meine Plastiken aus dem Schuppen ans Licht und Gefallen zerrte und wie dann meine alte Sarah dalag und der hundertzwanzigjährige Abraham sie noch mit seiner roten Nase zu begatten sucht, weil es nicht anders mehr geht bei ihm, da verbargen die Besucher Nase und Mund in der Hand, die eigene Ausdünstung einzuatmen und mir keine Anerkennung zu zollen. Sie haben mich alle mit ihrer schäbigen Neugier verrecken lassen. Das Super-arschloch war ein gewisser Wichmann, der mir empfahl, meine bemalten Plastiken einheitlich zu überstreichen, was ich tat, und er versprach mir, bei der Zusammenstellung seiner Olympiaausstellung an mich zu denken, was er nicht tat. Er hat eine sehr bewunderte Ausstellung ethnologischer Schaustücke und modernsten Krampfes zusammengestellt und mich verkommen lassen, ich verfluche ihn! Ich habe dann meine Plastiken verbrannt. Ich wollte damals unbedingt eine Tochter zeugen, sie Judit taufen zu können, damit sie einem Strauß einmal den Kopf abschlägt, aber daraus ist auch nichts geworden.  - Herbert Achternbusch, Die Stunde des Todes. Frankfurt am Main 1975
 
 

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