ut  »Was hast du dann für Hinweise auf seine Identität?«
»Nur das, was sich von seinem Hut ableiten läßt.«
»Von seinem Hut?« »Natürlich.«

»Jetzt machst du dich lustig über mich. Was kann dir diese alte, zerbeulte Melone sagen?«

»Ich habe mein Vergrößerungsglas. Du kennst meine Methode. Was sagt dir dieses Stück über die Persönlichkeit seines Trägers?« Ich nahm die zerbeulte Melone in die Hand; es war ein gewöhnlicher steifer schwarzer Hut, allerdings recht abgetragen. Er war einmal mit roter Seide gefüttert worden, die sich aber im Lauf der Jahre verfärbt hatte. Nirgends der Name des Hutmachers, doch, wie Holmes schon gesagt hatte, mit Wäschetinte eingekritzelt die Initialien H.B. Die Krempe war für ein Gummiband durchstochen, das Band selbst fehlte. Im übrigen fand ich an einigen Stellen deutlich erkennbare Flecken, obwohl anscheinend der Versuch unternommen worden war, die verfärbten Stellen mit Tinte zu überdecken.

»Ich kann nichts finden«, sagte ich und gab den Hut zurück. Holmes nahm ihn in die Hand und betrachtete ihn mit der ihm eigenen Konzentration. »Dieser Mann war in den letzten drei Jahren ganz gut gestellt, jetzt allerdings muß es ihm ziemlich schlechtgehen. Er war sicher einmal vorsorglicher als heute, was auf einen moralischen Verfall schließen läßt. Wenn man das im Zusammenhang mit der Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Lage sieht, möchte ich auf negative Einflüsse tippen, wahrscheinlich Trunksucht. Das mag auch der Grund für die ganz offensichtliche Tatsache sein, daß seine Frau ihn nicht mehr liebt.« »Aber Holmes, lieber Holmes!«

»Er hat sich jedoch ein gewisses Maß an Selbstachtung erhalten«, fuhr er fort, ohne meinen Einwand zu beachten. »Er führt ein ruhiges Leben, geht wenig aus. Er ist körperlich nicht sehr in Form, Mitte Vierzig, hat graue Haare, die er in den letzten Tagen schneiden ließ und mit Birkenhaarwasser pflegt. Außerdem halte ich es für unwahrscheinlich, daß sein Haus einen Gasanschluß hat.« »Das kann doch nicht dein Ernst sein, Holmes.« »Selbstverständlich. Ist es denn möglich, daß du, nachdem ich dir die Ergebnisse meiner Untersuchung gesagt habe, immer noch nicht weißt, wie ich sie gewann?«
»Ich muß gestehen, daß ich dir nicht folgen kann. Wie kommst du zum Beispiel auf die Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Lage?«
»Dieser Hut ist drei Jahre alt. Die flachen, nach oben aufgeschlagenen Krempen waren damals Mode. Es ist ein Hut von allerbester Qualität. Sieh dir das Seidenband und die herrliche Fütterung an. Wenn dieser Mann sich vor drei Jahren einen so teuren Hut leisten konnte und wenn er sich seither keinen neuen Hut mehr gekauft hat, dann kann es ihm nicht mehr so gutgehen wie früher.«
»Das leuchtet ein. Aber wie steht es mit dem vorsorglichen Charakter und dem moralischen Verfall?«
Sherlock Holmes lachte. »Hier ist der Charakter.« Er legte den Zeigefinger auf das Loch in der Krempe, durch das einst das Gummiband lief. »Hüte werden nie mit diesen Gummibändern verkauft. Wenn dieser Mann es sich einarbeiten ließ, dann zeigt es mir, daß er einen vorzüglichen Charakter hat, da er sich die Mühe machte, eine Vorsichtsmaßnahme gegen heftige Windstöße zu treffen. Aber das Gummiband riß, und er hat es nicht wieder ersetzen lassen, also ist er nicht mehr so vorsorglich wie früher. Andererseits hat er sich Mühe gegeben, die schlimmsten Flecke mit Tinte zu überdecken, und das zeigt mir, daß er noch nicht alle Selbstachtung verloren hat.« »Alles sehr plausibel.«

»Die weiteren Punkte — daß er um die Vierzig ist, graue Haare hat und erst beim Friseur war und Birkenhaarwasser benutzt — sind alle das Ergebnis einer genauen Untersuchung des Hutfutters. Mit Hilfe des Vergrößerungsglases sind eine ganze Menge eindeutig von einer Schere glatt abgeschnittene Haarspitzen zu erkennen. Dann ist da der unverkennbare Geruch von Birkenhaarwasser. Der Staub — wenn du ihn genau betrachtest, nicht sandiger, grauer Straßenstaub, sondern eher der flockige braune Staub, der sich im Hause ansammelt — beweist, daß der Hut meistens auf einem Garderobenhaken hängt. Die Verfärbungen des Hutbandes, die nur von Feuchtigkeit herrühren können, zeigen, daß der Träger stark schwitzte und demnach körperlichen Strapazen nicht mehr sehr gewachsen war.«
»Aber seine Frau — du sagtest, sie liebe ihn nicht mehr.« »Dieser Hut ist schon seit Wochen nicht mehr gebürstet worden. Wenn ich dich, mein lieber Watson, mit einer Wochenportion Staub auf deinem Hut erblicke, wenn deine Frau dich also so ausgehen läßt, dann werde ich mit Bedauern feststellen, daß auch du das Unglück hattest, die Zuneigung deiner Frau zu verlieren.« »Er könnte ja Junggeselle sein.«
»Nein, die Gans war doch wohl als Friedensangebot für seine Frau gedacht. Denke an die Karte, die um den Fuß des Vogels gebunden war.«
»Du weißt auch auf alles eine Antwort. Aber wie kommst du denn darauf, daß er keinen Gasanschluß in seinem Haus hat?« »Ein Talgflecken oder zwei auf dem Hut könnten Zufall sein, aber wenn ich nicht weniger als fünf sehe, dann ist es wohl eindeutig, daß der Träger des Hutes häufig mit einer brennenden Kerze in Berührung kommt. Wahrscheinlich steigt er nachts mit dem Hut in der einen und der Kerze in der anderen Hand die Treppe hinauf. Wie dem auch sei, von Gaslicht kann er jedenfalls keine Talgflecken bekommen. Zufrieden?«

»Genial«, sagte ich.« - Sir Arthur Conan Doyle, Der blaue Karfunkel. In: Sherlock Holmes' Abenteuer. Berlin 1987 (Ullstein Buch 2630)

Hut (2) »Ich gehe im Sommer auf der Straße spazieren, trage einen Strohhut von eigentümlicher Form, dessen Mittelstück nach oben aufgebogen ist, dessen Seitenteile nach abwärts hängen (Beschreibung hier stockend), und zwar so, daß der eine tiefer steht als der andere. Ich bin heiter und in sicherer Stimmung, und wie ich an einem Trupp junger Offiziere vorbeigehe, denke ich mir: Ihr könnt mir alle nichts anhaben.«

Da sie zu dem Hut im Traume keinen Einfall produzieren kann, sage ich ihr: Der Hut ist wohl ein männliches Genitale mit seinem emporgerichteten Mittelstück und den beiden herabhängenden Seitenteilen. Daß der Hut ein Mann sein soll, ist vielleicht sonderbar, aber man sagt ja auch: »Unter die Haube kommen!« Absichtlich enthalte ich mich der Deutung jenes Details über das ungleiche Herabhängen der beiden Seitenteile, obwohl gerade solche Einzelheiten in ihrer Determinierung der Deutung den Weg weisen müssen. Ich setze fort: Wenn sie also einen Mann mit so prächtigem Genitale hat, braucht sie sich vor den Offizieren nicht zu fürchten, d. h. nichts von ihnen zu wünschen, da sie sonst wesentlich durch ihre Versuchungsphantasien vom Gehen ohne Schutz und Begleitung abgehalten wird. Diese letztere Aufklärung ihrer Angst hatte ich ihr schon zu wiederholten Malen, auf anderes Material gestützt, geben können.

Es ist nun sehr beachtenswert, wie sich die Träumerin nach dieser Deutung benimmt. Sie zieht die Beschreibung des Huts zurück und will nicht gesagt haben, daß die beiden Seitenteile nach abwärts hingen. Ich bin des Gehörten zu sicher, um mich beirren zu lassen, und beharre dabei. Sie schweigt eine Weile und findet dann den Mut zu fragen, was es bedeute, daß bei ihrem Manne ein Hoden tiefer stehe als der andere, und ob es bei allen Männern so sei. Damit war dies sonderbare Detail des Hutes aufgeklärt und die ganze Deutung von ihr akzeptiert.

Das Hutsymbol war mir längst bekannt, als mir die Patientin diesen Traum mitteilte. Aus anderen, aber minder durchsichtigen Fällen glaubte ich zu entnehmen, daß der Hut auch für ein weibliches Genitale stehen kann.  - (freud)

Hut (3) Und nun vernehmt, nach welcher Sitte die Frauen behandelt werden. Ein Ehemann und Vater fühlt sich keineswegs in seiner Ehre verletzt, wenn ein Fremdling oder sonst ein Mann mit seiner Frau, seiner Tochter, mit seiner Schwester oder irgendeinem Weibe seines Haushalts zusammen schläft, sondern er schätzt es sogar. Die Leute glauben nämlich, auch der Gott und die Götzen hätten daran ein Wohlgefallen und würden solches Tun reichlich mit irdischen Gütern vergelten. Das ist der Grund, warum die Männer den Fremden gegenüber so freizügig sind. Stellt euch vor: zu einem Gainduer kommt ein Fremder und will bei ihm Quartier nehmen, oder es betritt ein Mann sein Haus, ohne die Absicht zu übernachten. Sogleich verläßt der Besitzer seine Wohnstätte und befiehlt seiner Frau, dem Fremdling in allem und jedem zu Willen zu sein. Er geht allein seiner Wege; er verschwindet auf seinen Feldern oder in seinen Rebbergen und kehrt nicht zurück, solange der Fremde sich bei ihm zu Hause aufhält. Und glaubt mir, es geschieht öfters, daß Fremde drei Tage bleiben und mit den Frauen das Bett teilen. Folgendermaßen bekundet der Fremde seine Gegenwart: außen am Hause hängt er seinen Hut oder sonst etwas auf, damit jedermann über seine Anwesenheit im Bilde sei. Und der arme Kerl von einem Ehemann setzt keinen Fuß in seine Wohnung, solange er das Zeichen sieht.   - (polo)

Hut (4)  Wenn es, um sich vor dem Regen zu schützen, nicht genügte, bestimmte Bewegungen miteinander in Einklang zu bringen, wäre das unsere Sache; da man dieses Ziel jedoch nicht ohne Apparat erreichen kann, rechnen wir mit dem Eifer unserer Erfinder, um uns einen herzustellen, wie man ihn im folgenden beschreiben könnte: man würde eine Wachstuchscheibe im Umfang mindestens von einer Schulter zur andern nehmen, deren Rand von einem kleinen Fischbeinstäbchen abgesteift würde, das so angeordnet wäre, daß, wenn man es spannt, die beiden Enden übereinandergleiten können, um das Wachstuch zusammenzuziehen, wie man es mit Hilfe eines Gummibandes tun wurde, und damit seine Ausdehnung zu verringern, so daß dieser kleine Apparat in den Hut paßt und ihm als Hutfutter dienen kann.

Jetzt ist die Möglichkeit, diese Art Regenschirm auf dem Hut zu befestigen, sehr einfach, man wurde nach dem gleichen Prinzip ein zweites Gummiband einziehen, das in der großen Scheibe eine kleine Scheibe bilden wurde, die jedoch groß genug wäre, um dem Hutinnern als Außenfutter zu dienen, und man brauchte dieses kleine Gummiband nur zusammenzuziehen, um den Apparat auf dem Hut zu halten, dann mit dem großen Gummiband dasselbe zu tun, um es mit dem kleinen in Verbindung zu bringen Man konnte diesen Apparat durch Schrauben verstärken, die man nur zu drehen brauchte, damit sie in den Hut eindringen.

Um diesen kleinen Apparat von doppeltem Nutzen zu vervollständigen, drehen wir ihn einfach um, um ihn ins Innere des Hutes zu befördern und die Spitzen dienen dann als Nähstiche, welche die Hutmacher für gewöhnlich machen, um das Futter im Hutinnern anzubringen.

Damit wir nun nicht sehen müssen, wie dieser neue Regenschirm von einem Windstoß hinweggefegt wird, wäre es sehr leicht, mit Hilfe eines schwarzen Schnürsenkels, der im Innern des Hutes befestigt ist, eine Art unsichtbaren Sturmriemen anzubringen, den man hinter den Ohren entlangführt, um ihn unter dem Kinn zuzuhaken.

Da dieser neu erfundene Regenschirm bei unseren Spaziergängen auf dem Lande auch als Sonnenschirm zu dienen vermag, könnte er außerdem durch seine Form einen Korb ersetzen, für den Fall, daß wir etwas Leichtes zu transportieren haben, wie Blumen oder leichte Früchte. - N. N.,Vervollkommnung des Hutes, in: Revolution im Marsch Oder fünfhundert natürliche und unfehlbare Methoden, um bei den verschiedenen Arten des Gehens den Komfort zu finden; sein Schuhwerk nach eigenem Willen abzunutzen; es nicht aus der Form zu bringen; Hühneraugen zu vermeiden; sich beim Gehen sowie beim Arbeiten nicht müde zu machen; auf glitschigen Wegen sicher zu gehen; sich nicht zu beschmutzen oder, wenn man sich bei einem Gewaltmarsch beschmutzt, den Schmutz auf angenehme Weise trocken zu entfernen, ohne Staub zu machen und ohne den Stoff zu beschädigen; durch das Gehen den Gang der Hinkenden berichtigen, einschließlich hygienischer Spiele und Übungen für kränkliche Menschen jeden Alters; die Sehkraft erhalten und ihr die Kraft geben, dem Sonnenlicht zu trotzen, ohne sie zu ermüden; schließlich mächtig zu ihrer Gesundheit, mäßig zu ihrer Heiterkeit und ein wenig zu ihrer Schönheit beizutragen, allein durch ihre eigene Bewegung. 1850. Nach (lim)

Hut (5)   Während die Schuhe als unteres Ende der Garderobe für das Verdrängte stehen, verbildlicht der Hut als das obere die Deckelung durch gesellschaftlichen Zwang wie auch die Maske der sozialen Identität.  - Ulrike Sprenger, Proust-ABC. Leipzig 1997

Hut (6)

„He! Sie, alter Junge, behalten Sie den Hut auf dem Kopf!"

   „Wozu denn, das lohnt sich doch gar nicht!"

„Ich meine ja nur, man sagt doch so."

   „Was sagt man denn, Donnerwetter?"

„Stellen Sie sich doch nicht so."

   „Sind Sie denn ganz aus dem Häuschen?"

„Ich meinte, der Hut da, den alten Bibi, den Sie da auf dem Kopf haben, die Dunstkiepe, wissen Sie, die können Sie ruhig auf dem Kopf behalten!"

    „Auf welchem Kopf?"

„Ihnen, mein Liaba, hat man wohl mit die Muffe gebufft, — Sie können doch nicht bezweifeln, daß Sie einen Hut auf dem Kopf haben."

   „Ist mir denn das jemals eingefallen, Sie Flegel?"

„Sie werden ungemütlich, aber ich bin ein Menschenfreund, den Flegel will ich einstecken, dafür möcht ich Ihnen beibringen, wie richtige Menschen ordinärerweise miteinander sprechen. Ein Hut ist dazu da, daß man ihn auf den Kopf setzt, nicht wahr?"

   „Auf welchen Kopf?"

„Fangen Sie doch nicht schon wieder mit Ihren Dummheiten an. Sie sind doch kein Clown —.?"

   „Wie — was haben Sie gesagt?"

„Ich meine hinsichtlich des Hutes ist die Sache doch klar, nicht wahr?"

    „Wieso denn?"

- Richard Huelsenbeck, nach: Hanne Bergius, Das Lachen Dadas. Die Berliner Dadaisten und ihre Aktionen. Gießen 1989

Hut (7)

Hut (8) Er suchte seinen Hut, dann fiel ihm ein, daß er ihn oben hatte liegenlassen.

»Ich werde ihn holen«, schlug der Buchhalter vor.

»Bemühen Sie sich nicht.«

Maigret stieg die Treppe hinauf, hatte das Gefühl, nicht allein zu sein, hob deshalb den Kopf und erblickte das Gesicht der alten Cathérine, die sich über das Geländer beugte. Sie schien ihn zu belauern.

»Suchen Sie Ihren Hut?«

»Ja. Ist mein Inspektor nicht oben?«

»Der ist schon lange weg. Fangen Sie!«

Ohne ihn heraufkommen zu lassen, warf sie ihm seinen Hut zu, und während er ihn vom Fußabtreter aufhob, spuckte sie aus.  - Georges Simenon, Maigret und die widerspenstigen Zeugen. Zürich 1980 (detebe 20716, zuerst 1959)

Hut (9)

- Max Ernst: Der Hut macht den Mann!

Hut (10)

auf den wolken trommeln grosse drachen
vor den türen trommeln grosse drachen
vor den spiegeln trommeln grosse drachen
die drachen tragen hüte aus kinderköpfen

die gläsernen köpfe tragen eiserne hüte
an den gläsernen stöcken wachsen magnetische nüsse
aus den taschen rollen die köpfe aus glas
an stelle der köpfe tragen die kinder wolken

die hüte tragen hüte
die zylinder tragen wolken
die köpfe sind mit wolken gefüllt
die gläsernen hüte
die gläsernen Stöcke
die gläsernen nüsse
die gläsernen türen
die gläsernen wolken
die gläsernen köpfe

die hinterköpfe tragen hüte
die vorderköpfe tragen hüte
die taschen sind mit kinderköpfen gefüllt
die drachen und die kinder springen über die stöcke

sie tragen zylinder aus spiegelglas
sie tragen hüte aus eisen
sie tragen stöcke aus eisen
sie tragen nüsse aus eisen
sie trommeln gegen eiserne türen
aus ihren taschen steigen wolken
sie sind gross
sie sind magnetisch
sie haben kinderdrachen an den hinterköpfen

die wolken trommeln auf den gläsernen hüten
aus den eisernen türen rollen die gläsernen nüsse
vor den spiegeln grüssen die hüte die hüte
die eisernen kinder tragen die gläsernen kinder

- Hans Arp, wortträume und schwarze sterne. Wiesbaden 1953

Hut (11)  Den Hüten spielt man im Cirkus den einen und anderen Streich, und sie verdienen es nicht anders; der beste von allen ist der, wenn mit einmal der Zylinderhut des Exzentrikers wie an einem unsichtbaren Faden in die Höhe steigt. Es ist von allen Hüten derjenige, der während der ganzen Aufführung in der Höhe schwebt, als trüge er die Gedanken seines Herrn und seiner überirdischen Luftgeister. Komisch anzusehen ist, wenn jemand, der zu spät gekommen ist, einen instinktiven heimlichen Blick auf seinen Hut wirft, als würde dieser davonfliegen.  - (cirkus)

Hut (12)  Watt trug auf seinem Kopf einen steifen, pfefferfarbenen Filzhut. Dieser hervorragende Hut hatte seinem Großvater gehört, der ihn auf einer Rennbahn vom Boden, wo er lag, aufgelesen und nach Hause getragen hatte. Einst senffarben, war er nun pfefferfarben geworden.

Es war zu beobachten, daß die Farben, einerseits die des Mantels und andererseits die des Hutes, sich mehr und mehr einander näherten, mit jedem Lustrum mehr. Und wie verschieden waren sie anfangs gewesen! Der eine grün! Der andere gelb! So geht das mit der Zeit, die das Dunkle erhellt und das Helle verdunkelt.

Es war zu erwarten, daß sie, wenn sie einmal übereinstimmten, nicht dabei bleiben, nein, sondern weiter altern würden, jeder nach seinem Gesetz, bis der Hut grün wäre und der Mantel gelb, und dann, nach Überschreiten der letzten Parallelkreise, der Hut heller werdend und der Mantel dunkler werdend, schließlich aufhören würden, ein Hut zu sein und ein Mantel zu sein. Denn so geht das mit der Zeit. - (wat)

Hut (13)  Der Verdächtige ist  sicher nicht intelligent, aber kompliziert. (Die Dummheit ist viel komplizierter als die Klugheit; am Ende einer ausführlichen Beschreibung der höchst komplizierten Kopfbedeckung von Charles Bovary sagt Flaubert, sie gleiche dem Gesicht eines Dummkopfs. Doch man kann hinzufügen, daß auch das Innere eines Dummkopfs dieser Kopfbedeckung gleicht.)  - (scia)

Hut (14)  Der Hut befähigte die Menschen dazu, sich untereinander einer gewissen Ehrerbietung zu vergewissern, indem man nämlich den Hut zog, sobald man sich begegnete. Selbst unter guten Bekannten war das kurze Berühren der Hutkrempe ein Zeichen von Achtung und Vertraulichkeit zugleich. Die Abstufungen im Hutziehen bildeten die gesellschaftlichen Hierarchien und die Beziehungen einzelner gesellschaftlicher Gruppen zueinander ab. Es gab das angedeutete Berühren der Hutkrempe, bei dem die Hand in Richtung Hut ging, diesen jedoch nicht tatsächlich berührte, dann das tatsächliche Berühren des Hutes und dieses wiederum in unterschiedlich langer Dauer. Es folgte das angedeutete Lupfen des Hutes, das sich vom langen Tippen nicht durch die Bewegung des Hutes, sondern allein durch die Handhaltung unterschied (beim Tippen wird die Handkante mit dem Zeigefinger voran in Richtung Krempe geführt, beim Lupfen bewegt sich die Hand in starrer Greifbewegung Richtung Krone). Vom Tippen, dem angedeuteten Lupfen, dem viertel, halben, dreiviertel Lupfen steigerte es sich bis zum Abziehen, das sich wiederum unterteilte in die Zeiträume, in denen man den Hut abgezogen über dem Kopf hielt oder abgezogen nach vorne (ohne Verbeugung und mit Verbeugung) oder ganz abgezogen vor die Brust oder den Bauch bewegte, um den Hut dort zu halten, während man sich verbeugte. Die Behandlung des Hutes unterschied auch Männer und Frauen, da Frauen zur Begrüßung den Hut nicht abnahmen oder berührten, selbst in der Kirche mit aufgesetztem Hut auf der rechten Seite saßen, während die Männer mit abgezogenem Hut links Platz nahmen. Die Frauen taten so, als sei der Hut kein variables Accessoire, da sie ihn, einmal aufgesetzt, in der Öffentlichkeit nicht mehr veränderten. Der Mann hingegen benutzte den Hut als schützenden Helm, war jedoch bereit, diesen Schutz bei der Begrüßung in feinen Abstufungen aufzugeben und sich dem anderen im Rahmen gewisser gesellschaftlicher Vereinbarungen auszuliefern.  - (raf)
 

Kopf Kleidungsstück
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