ierpfütze
Er konnte das Zimmer noch gar nicht verlassen haben, schon hatte Frieda
das elektrische Licht ausgedreht und war bei K. unter dem Pult. »Mein Liebling!
Mein süßer Liebling!« flüsterte sie, aber rührte K. gar nicht an, wie ohnmächtig
vor Liebe lag sie auf dem Rücken und breitete die Arme aus, die Zeit war wohl
unendlich vor ihrer glücklichen Liebe, sie seufzte mehr als sang irgendein kleines Lied. Dann schrak sie auf, da K. still in Gedanken blieb, und fing an
wie ein Kind ihn zu zerren: »Komm, hier unten erstickt man ja!« Sie umfaßten
einander, der kleine Körper brannte in K.s Händen, sie rollten in einer Besinnungslosigkeit,
aus der sich K. fortwährend, aber vergeblich, zu retten suchte, ein paar Schritte
weit schlugen dumpf an Klamms Tür und lagen dann in den kleinen Pfützen Biers
und dem sonstigen Unrat, von dem der Boden bedeckt war. Dort vergingen Stunden,
Stunden gemeinsamen Atems, gemeinsamen Herzschlags, Stunden, in denen K. immerfort
das Gefühl hatte, er verirre sich oder er sei so weit in der Fremde wie vor
ihm noch kein Mensch, einer Fremde, in der selbst die Luft keinen Bestandteil
der Heimatluft habe, in der man vor Fremdheit ersticken müsse und in deren unsinnigen
Verlockungen man doch nichts tun könne als weiter gehen, weiter sich verirren.
Und so war es wenigstens zunächst für ihn kein Schrecken, sondern ein tröstliches
Aufdämmern, als aus Klamms Zimmer mit tiefer, befehlend-gleichgültiger Stimme
nach Frieda gerufen wurde. »Frieda«, sagte K. in Friedas Ohr und gab so den
Ruf weiter. In einem förmlich eingeborenen Gehorsam wollte Frieda aufspringen,
aber dann besann sie sich, wo sie war, streckte sich, lachte still und sagte:
»Ich werde doch nicht etwa gehen, niemals werde ich zu ihm gehen.« K. wollte
dagegensprechen, wollte sie drängen, zu Klamm zu gehen, begann die Reste ihrer
Bluse zusammenzusuchen, aber er konnte nichts sagen, allzu glücklich war er,
Frieda in seinen Händen zu halten, allzu ängstlich-glücklich auch, denn es schien
ihm, wenn Frieda ihn verlasse, verlasse ihn alles, was er habe. - Franz
Kafka, Das Schloß
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