ufgehen (2)
In den Rechenbüchern pflegt die Richtigkeit der Lösung eines Exempels
sich durch das Aufgehn desselben, d. h. dadurch, daß kein Rest bleibt, kund
zu geben. Mit der Lösung des Räthsels der Welt hat es ein ähnliches Bewandtniß.
Sämmtliche Systeme sind Rechnungen, die nicht aufgehn:
sie lassen einen Rest, oder auch, wenn man ein chemisches Gleichniß vorzieht,
einen unauflöslichen Niederschlag. Dieser besteht darin, daß, wenn man aus ihren
Sätzen folgerecht weiter schließt, die Ergebnisse nicht zu der vorliegenden
realen Welt passen, nicht mit ihr stimmen, vielmehr manche Seiten derselben
dabei ganz unerklärlich bleiben. So z. B. stimmt zu den materialistischen Systemen,
welche aus der mit bloß mechanischen Eigenschaften ausgestatteten Materie, und
gemäß den Gesetzen derselben, die Welt entstehn lassen, nicht die durchgängige
bewunderungswürdige Zweckmäßigkeit der Natur, noch das Daseyn der Erkenntniß,
in welcher doch sogar jene Materie allererst sich darstellt. Dies also ist ihr
Rest. Mit den theistischen Systemen wiederum, nicht minder jedoch mit den pantheistischen
sind die überwiegenden physischen Uebel und die moralische Verderbniß der Welt
nicht in Uebereinstimmung zu bringen: diese also bleiben als Rest stehn, oder
als unauflöslicher Niederschlag liegen. - Zwar ermangelt man in solchen Fällen
nicht, dergleichen Reste mit Sophismen, nöthigenfalls auch mit bloßen Worten
und Phrasen zuzudecken: allein auf die Länge hält das nicht Stich. Da wird dann
wohl, weil doch das Exempel nicht aufgeht, nach einzelnen Rechnungsfehlern gesucht,
bis man endlich sich gestehn muß, der Ansatz selbst sei falsch gewesen. Wenn
hingegen die durchgängige Konsequenz und Zusammenstimmung aller Sätze
eines Systems bei jedem Schritte begleitet ist von einer eben so durchgängigen
Uebereinstimmung mit der Erfahrungswelt, ohne daß zwischen Beiden ein Mißklang
je hörbar würde; - so ist Dies das Kriterium der Wahrheit desselben, das verlangte
Aufgehn des Rechnungsexempels. Imgleichen, daß schon der Ansatz falsch gewesen
sei, will sagen, daß man die Sache schon Anfangs nicht am rechten Ende angegriffen
hatte, wodurch man nachher von Irrthum zu Irrthum geführt wurde. Denn es ist
mit der Philosophie wie mit gar vielen Dingen; Alles kommt darauf an, daß man
sie am rechten Ende angreife. -
(
schop
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