Akzeptanzproblem    Als ich soeben rausging. Zigaretten zu kaufen, dachte ich: Daß ich viele Schwierigkeiten habe, die Häßlichkeit der gegenwärtigen Zivilisationswelt anzunehmen (Bin ich denn ein Masochist?) - Und mir fiel ein, daß ich deswegen nicht gehungert haben konnte, bloß um mir eine Schallplatte damals kaufen zu können, die ich abends allein in dem Dachzimmer, in dem im Sommer immer die Margarine zu einem geblichen fettigen seirigen Gemisch im Töpfchen sich auflöste, anhörte und an der ich mich beim Anhören berauschte und träumte von einer gesteigerten Welt und einem gesteigerteren Dasein-TheloniusMonk Lokomotive oder Pachelbel, sie habe ich niemals als einen Widerspruchansehen können, oder Lennie Tristano und eine Orgelfuge von Buxtehude, oder sogar Fats Domino und einige Stücke von Jerry Lee Lewis und ein Lautenkonzert von einem Komponisten des 17. Jahrhunderts, Tamaso di Parma oder Garma, es gibt so einen Italiener, waren für mich keine Gegensätze -wohl aber dazu das Moderne, Stockhausen, Klebe, Kagel, die ganze erbärmliche abendländische moderne Avantgarde - sie haben mich durch Schönheit oder durch Rauschgelegenheit nie mitgenommen=ergriffen und fortgeführt so wenig wie die zeitgenössische Literatur - und nun sollte dieses Hungern, dies Kauen aus Zeitungspapier, diese billigen Ei-Brötchen als Hauptmahlzeit und dieses Schlürfen einer Maggi-Brüh-Würfel-Suppe umsonst, vergeblich gewesen sein? - Ich habe Schwierigkeiten, die ganze enorme Häßlichkeit der Gegenwart zu akzeptieren. - Bin ich dafür, nämlich das zu akzeptieren, Tag für Tag zu einem Schnellimbiß gegangen und habe für 90 Pfennig Bratkartoffeln und eine Frikadelle gegessen, und ließ mir immer einen Schlag Soße darüber geben - ich wußte ja die feinen exquisiten Geschmacksrichtungen, ich wußte und vergaß nicht, daß es sie gab - aber jetzt waren es exquisite Musikstücke, die 45er Platten wischte ich mit Rei ab, damit sie nicht so rauschten - und es gab Bücher, wilde Bücher, raffinierte Bücher, Bücher von großen Einzelnen, Céline, Miller, Schmidt, Benn, Jahnn, die ich las, kannte, liebte, die mich stärkten, die Stimmen von Einzelnen, die nicht einer seligmachenden Ideologie aufgesessen waren (wohl waren sie da hindurchgegangen, und sie sind fürchterlich enttäuscht worden) -und da leistete ich mir sonntags Thunfisch, Ei, Brot, das spielt nicht in grauer Vorzeit, das ist gerade 11 Jahre her - und nun soll ich die Häßlichkeit hinnehmen? - Nun soll ich für die Häßlichkeit sprechen? - Nun sollte ich mich der Sinn&Geschmacksverwirrung der Gegenwart anpassen und meine Hoffnung auf die unten setzen? Damit daraus das Licht aufsteigt? Oder ich sollte mich arrangieren mit denen oben? - Was hat oben und unten mit Einsichten in grundlegende Zusammenhänge zu tun? Und was mit der Fähigkeit zur Einsicht? Nichts, absolut nichts. - Ich müßte schwachsinnig sein, wenn ich meine Hoffnung auf irgendeine dieser wechselseitig sich bestimmenden Gruppen verschwendete. Und die Häßlichkeit bleibt.    - (rom)
 

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