Uebersetzer  In Triest, im Jahre 1872, in einem Palazzo mit bemoosten Statuen und mangelhaften sanitären Einrichtungen, begab sich ein Herr, dessen Gesicht von einer afrikanischen Narbe gezeichnet war — der Kapitän Richard Francis Burton, englischer Konsul — an eine berühmtgewordene Übersetzung des Qui-tah alif laila ua laila, eines Buches, das die Ungläubigen auch das Buch von den Tausendundein Nächten nennen. Eine der heimlichen Absichten seiner Arbeit war die Vernichtung eines anderen Herrn (auch er mit dem dunklen Bart eines Mauren, auch er von der Sonne gegerbt), der gerade dabei war, in England ein umfangreiches Wörterbuch zusammenzustellen und der, lange bevor Burton ihn vernichten konnte, mit Tod abging. Es war Edward Lane, der Orientalist, Verfasser einer gewissenhaften Übersetzung der Tausendundein Nächte, die die von Galland abgelöst hatte.  - J. L. Borges, Vorwort zu: Tausendundeine Nacht nach Burton. Stuttgart 1984 (Die Bibliothek von Babel 26, Hg. Jorge Luis Borges)

Übersetzer (2)  Sein der Liebe und dem Noblen gewidmetes Leben endete in Verzweiflung. Der Krieg überraschte ihn in Paris, von wo der schon fast Siebzigjährige mit seiner Frau und einem schweren Handkoffer zu Fuß floh, zu Fuß bis an die Schweizer Grenze. Die Schweiz nahm ihn auf. Aber auf der Flucht war der Handkoffer verloren gegangen oder gestohlen worden. Mit dem Verlust erst erfuhren wir, was er enthalten hatte. Hardekopf hatte 30 Jahre geschwiegen, nichts veröffentlicht. Nichts geschrieben? In dem Koffer war das Resultat von dreißig Jahren Arbeit, Tausende von Notizen und Blättern, Zehntausende eines unvollendeten Manuskriptes über,Die Dekadenz der Deutschen Sprache' - eine Säuberung der deutschen Sprache vom Kriegerischen und Gewalttätigen, von Worten, deren Ursprung in Gewalt und Angriffslust lag. Des Sanften Kampf gegen das Unmenschliche. Umsonst! Irgendwo in einem Feuer wird es die Suppe oder den Braten einer flüchtigen Familie gewärmt haben oder als Einlegesohlen in den Schuhen die Füße von Refugies, die durch die lehmigen Felder vor den Nazihorden geflohen sind.

Nachträglich erinnerte ich mich, daß mir Hardekopf eines Tages hochbeglückt in Paris eine Ausgabe von Meyers Konversationslexikon von 1876 [etwa] gezeigt hatte, die er auf einem der zahlreichen Altbücherstände auf dem Boule Miche gefunden hatte ... Gefunden, eine Fundgrube humanistischer Bildung. Er las mir daraus mit einem Ernst vor, wie etwa aus einer plötzlich wiederentdeckten Ausgabe des Pythagoras. Formulierungen und Stil fanden wir, die noch von Herder oder Schlegel stammen könnten. «Eine vorsichtig liebende Behandlung der Sprache», meinte er. Eine Ablehnung der Lanzen und der Spieße wie des Lauten und Herrischen. Heute verstehe ich, aus welcher tiefen Einsicht und Absicht er sprach, und welche er mir vermitteln wollte. Seiner geliebten Frau in allem zuliebe, auch in jenem Maximum der Selbstzerstörung, die ihre seelische Krankheit, ihr sich verwirrender Sinn mit sich brachte, mehr entsetzt und geplagt als sie selbst, nahm er zu den Drogen Zuflucht, die er spielerisch [Baudelairescher Anweisung folgend], schon in frühesten Zeiten, doch stets mit Vorsicht genommen hatte.

Und als dann keine Übersetzungsaufträge der Schweizerischen Büchergilde, die ihn und Sita am Leben hielten, mehr eintrafen, verfiel er der Verzweiflung und beide den Drogen. In ihrer Verwirrung und Hoffnungslosigkeit wurden sie schließlich in die Irrenanstalt Burghölzli eingewiesen.

Zu empfindsam, um um Hilfe zu bitten, zu enttäuscht, um selbst an Hilfe zu glauben, verzweifelnd an seinen Freunden, die wir nichts mehr von ihm wußten, kam er um, ging ein seltenster Mensch uns verloren. Sein dem Noblen gewidmetes Leben endete im Vulgärsten. Sein Tod zog den seiner Lebensgefährtin nach sich.   - Hans Richter, Dada-Profile. Zürich 1961

Übersetzer (3)  Von München aus ging Greve 1902 nach Berlin, wo er ein Verhältnis mit Else Endell geb. Ploetz, der Frau des Architekten August Endell, begann, die er in München kennengelernt hatte. Er brannte mit ihr nach Palermo durch. Auf der Rückreise wurde Greve 1903 in Bonn verhaftet; ein früherer, homosexuell orientierter Studienfreund hatte ihn, vermutlich aus Eifersucht, zur Rückzahlung eines Privatdarlehens gedrängt und bei Zahlungsunfähigkeit angezeigt. Greve wurde wegen Betrugs zu einem Jahr Gefängnis verurteilt; während der Verbüßung seiner Haft im Bonner Gefängnis war er als ungemein produktiver Autor, Herausgeber und Übersetzer tätig und nahm Kontakt zu André Gide und H. G. Wells auf. Anschließend lebte Greve mit Else Endell in der Schweiz, in Frankreich und wieder in Berlin. Sie heirateten im Frühjahr 1907. Er übersetzte weiterhin aus dem Englischen und Französischen und verfasste neben zwei Romanen auch Essays und ein (zur Aufführung von der Deutschen Bühne angenommenes, aber verschollenes) Theaterstück. Im Jahre 1909 sah Greve, der ständig mit großen Schulden zu kämpfen hatte und zuletzt seine Übersetzung von Jonathan Swifts Prosaschriften gleichzeitig an zwei verschiedene Verlage verkauft hatte, keinen anderen Ausweg, als einen Selbstmord vorzutäuschen und Europa im Juni 1909 an Bord der SS Megantic zu verlassen. - Wikipedia

Übersetzer (4)   Anabel kam an jenem Morgen in mein Büro in der San Martin, fast Ecke Corrientes, und ich erinnere mich mehr an ihre Handtasche aus Wachstuch und an ihre Schuhe mit dicker Korksohle, als an ihr Gesicht an diesem Tag (es stimmt, daß ein Gesicht, das man das erste Mal sieht, nichts gemein hat mit dem Gesicht, das man im Laufe der Zeit und durch Gewöhnung erwartet). Ich arbeitete an dem alten Schreibtisch, den ich ein Jahr zuvor mitsamt dem ganzen Plunder des schäbigen Büros geerbt hatte, das zu renovieren ich mich noch nicht aufraffen konnte; ich hatte es gerade mit einem besonders abstrusen Abschnitt der Patentschrift zu tun und tastete mich Satz für Satz vor, umgeben von technischen Wörterbüchern und mit dem Gefühl, Marval & O'Donnell, die mich für die Übersetzung bezahlten, zu betrügen. Anabel war wie das sinnverwirrende Eindringen einer Siamkatze in einen Computerraum, und es schien so, als wüßte sie das, denn sie sah mich fast mitleidig an, bevor sie sagte, daß ihre Freundin Marucha ihr meine Adresse gegeben habe. Ich bat sie, sich zu setzen, und aus purer Angeberei fuhr ich fort, einen Satz zu'übersetzen, in dem ein Kalander mittleren Kalibers mysteriöse Bruderschaft schloß mit einem antimagnetischen gepanzerten Gehäuse X". Dann holte sie eine blonde Zigarette hervor und ich eine schwarze, und obgleich der Name Marucha genügte, alles zu erklären, ließ ich sie reden.

Das Widerstreben, einen Dialog zu konstruieren, der mehr Erfindung wäre als anderes. Ich erinnere mich vor allem an Anabels Klischees, an ihre Art, mich abwechselnd mit »junger Mann« und »mein Herr« anzureden, zu sagen »mal angenommen« oder einzuwerfen »ah, ich kann dir sagen«. Auch ihr Rauchen war klischeehaft, indem sie den Rauch ausstieß, kaum daß sie ihn eingesogen hatte. Sie reichte mir den Brief von einem gewissen William, einen Monat zuvor in Tampico abgestempelt, den ich ihr mündlich übersetzte, bevor ich's, auf ihre Bitte hin, schriftlich tat, »für den Fall, daß ich etwas vergesse«, wie Anabel sagte, wobei sie einen Schein aus der Tasche zog, um mir das Honorar von fünf Pesos zu zahlen. Ich sagte ihr, es sei nicht der Rede wert, mein Ex-Sozius hatte diesen absurden Tarif zu einer Zeit festgelegt, als er allein arbeitete und damit begann, den Mädchen vom Hafen die Briefe ihrer Matrosen zu übersetzen, wie auch das, was diese ihnen antworteten. »Warum verlangen Sie so wenig?« hatte ich ihn gefragt. »Mehr oder gar nichts wäre besser, schließlich ist das nicht Ihre Arbeit, Sie tun es aus bloßer Gefälligkeit.« Er erklärte mir dann, daß er noch nicht so alt wäre, um dem Verlangen zu widerstehen, dann und wann mit einer von ihnen zu schlafen, und daß er deshalb ihre Briefe übersetzte, so kam er leichter an sie heran, und hätte er von ihnen nicht diesen symbolischen Preis verlangt, hatten sie sich alle in eine Art von Madame de Sevigné verwandelt, und das, nein danke. Dann ging mein Sozius ins Ausland, ich erbte das Geschäft, und aus reiner Trägheit behielt ich dieselben Bedingungen bei. - Julio Cortázar, Tagebuch für eine Erzählung. In: J. C., Ende der Etappe. Frankfurt am Main  1998

 

Übersetzung Beruf Sprachtalent

 

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