Teegesellschaft  Esther schüttete wohlriechendes Wasser auf eine glühende Schippe, dann sprach sie in die Luft: »Nanni, es ist die höchste Zci^ daß ich meine Locken mache, meine Gäste müssen bald kommen.' Esther antwortete darauf mit veränderter Stimme: »Gnädiges Fräulein, es ist alles bereit.« - Im Augenblicke des Worts stand eine zierliche Kammerjungfer vor Esther, und half ihr die Locken ausziehen und ordnen. Dann reichte sie Esther den Spiegel, und diese klagte: »Gott, wie bin ich bleich! Hat es denn nicht Zeit mit dem Erbleichen, bis ich tot bin? Du sagst, ich soll mich schminken. Nein, dann gefalle ich dem Majoratsherrn nicht, denn er ist auch blaß, wie ich, gut wie ich, unglücklich wie ich; wenn er nur heute käme, die Gesellschaft macht mir ohne ihn keine Freude.«

Nun war alles im Zimmer geordnet, und Esther, sehr elegant angezogen, legte einige schön gebundene englische Bücher aufs Sopha, und begrüßte auch englisch das erste Nichts, dem sie in ihrer Gesellschaftkomödie die Tür Öffnete. Kaum antwortete sie englisch in seinem Namen, so stand da ein langer finsterer Engländer vor ihr, mit der Art, Freiheit und Anstand, die sie damals vor allen Nationen in Europa auszeichnete. Mit solchen Luftbildern von Franzosen, Polen, Italienern, endlich auch mit einem kantischen Philosophen, einem deutschen Fürsten, der Roßhändler geworden, einem jungen aufgeklärten Theologen, und einigen Edelleuten auf Reisen, belebte sich der Teetisch. Sie war in einer unerschöpflichen Bewegung durch alle Sprachen. Es entspann sich ein Streit über die Angelegenheiten Frankreichs. Der Kantianer demonstrierte; aber der Franzose wütete. Sie suchte sehr gewandt die Streitenden auseinander zu halten, und schüttete endlich, als ob sie angestoßen wäre, eine Tasse heißen Tee dem Kantianer auf die Unterkleider, um eine Diversion zu machen. Das gelang auch; es wurde entschuldigt, abgewischt, und sie versicherte den Tritt des Majoratsherrn zu hören, eine neue Bekanntschaft, die sie erst jetzt gemacht, ein ausgezeichneter junger Mann, der Frankreich erst kürzlich verlassen habe, und jene streitigen Fragen am besten beantworten könne. - Bei diesen Worten durchgriff eine kalte Hand den Majoratsherrn. Er fürchtete, sich selbst eintreten zu sehen; es war ihm, als ob er wie ein Handschuh im Herabziehen von sich selbst umgekehrt würde. Zu seiner Beruhigung sah er gar nichts auf dem Stuhle, den Esther ihm hinriickte, aber den andern Mitgliedern der eleganten Gesellschaft mußte sein Ansehen etwas Unheimliches haben, und während Esther zu ihm flüsterte, empfahlen sich diese, einer nach dem andern. Als alle sich entfernt hatten, sprach Esther lauter zu dem leeren Stuhle: »Sie haben mir in aller Kürze gesagt, ich sei nicht, was ich zu sein - scheine, und ich entgegne darauf, daß auch Sie nicht sind, was Sie scheinen.« Darauf antwortete Esther, indem sie, zum Staunen des ansprechenden Majoratsherrn, seine Stimme täuschend nachahmte: »Ich will mich erklären: Sie sind nicht die Tochter dessen, den die Welt als Ihren Vater nennt, Sie sind ein geraubtes Christenkind, Ihren wahren Eltern, Ihrem wahren Glauben geraubt, und mein Entschluß, Sie dahin zurück zu führen, hat mich bestimmt, Ihnen meine Aufwartung zu machen. Erklären-Sie sich mir jetzt auch deutlicher.« - Esther: »Es sei. Ich bin Sie und Sie sind ich.«  - Achim von Arnim, Die Majoratsherren

 

Tee Geselligkeit

 

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