ördermachen  Er hieß August Langlois, arbeitete bei einem Pappenfabrikanten, hatte seine Mutter verloren und besaß einen Vater, der ihn kurz und klein schlug.

Des Esseintes hörte ihm nachdenklich zu: - »Komm etwas trinken«, sagte er. Er nahm ihn mit in ein Café und ließ ihm starke Punschs vorsetzen. - Der Junge trank wortlos. - »Sage mal«, begann Des Esseintes plötzlich, »willst du dich heute abend amüsieren? Ich zahle.« Und er hatte den Kleinen zu Madame Laura mitgenommen, die im dritten Stock eines Hauses in der Rue Mosnier eine kleine Sammlung von Blumenarbeiterinnen hatte, die eine Reihe roter Zimmer mit runden Spiegeln, Sofas und Waschbecken bewohnten.

Da hatte August sehr verdutzt und die Mütze zwischen den Händen drehend vor einer ganzen Horde von Frauen gestanden, deren geschminkte Münder sich alle zugleich auftaten: »Ach, der Kleine! Gott, ist der niedlich!« - »Aber sage mal, Junge, du bist ja noch gar nicht im richtigen Alter«, hatte eine stattliche Brünette mit großen Augen und Hakennase gesagt, die bei Madame Laura die unentbehrliche Rolle der schönen Jüdin spielte.

Behaglich, fast wie zu Hause, unterhielt sich Des Esseintes leise mit der Patronne. »Hab doch keine Angst, Dummchen«, wandte er sich dann wieder an den Jungen, »los, wähle, ich halte dich frei.« Und sanft stieß er den Knaben auf ein Sofa zwischen zwei Frauen. Die setzten sich auf ein Zeichen von Madame Laura ganz eng an ihn heran, bedeckten Augusts Knie mit ihren Morgenröcken und hielten ihm ihre warmen gepuderten und parfümierten Schultern unter die Nase, und er rührte sich nicht mehr: mit blutroten Wangen, trockenem Mund und gesenkten Augen wagte er neugierige Blicke, die hartnäckig auf den Schenkeln haften blieben.

Wanda, die schöne Jüdin, küßte ihn, gab ihm gute Ratschläge und empfahl ihm, Vater und Mutter zu gehorchen; dabei irrten ihre Hände langsam über den Knaben, dessen Antlitz sich verfärbte und dessen Kopf hintenüber sank.

»Du kommst also nicht auf eigene Rechnung heute«, sagte Madame Laura zu Des Esseintes. »Aber wo hast du nur den Bengel aufgegabelt?« fragte sie, als die schöne Jüdin August mit sich genommen hatte.

»Auf der Straße, meine Liebe.«

»Du bist doch gar nicht betrunken«, murmelte die alte Dame. Dann fügte sie nach einiger Überlegung mit mütterlichem Lächeln Hinzu: »Ich verstehe, mein Kerlchen, du brauchst junge, was!«

Des Esseintes zuckte die Achseln. »Du bist nicht im Bilde, aber ganz und gar nicht«, sagte er; »ich will einfach den Versuch machen, einen Mörder zu schaffen. Hör dir mal meine Überlegungen an, dieser Bursche ist unberührt und hat das Alter erreicht, da das Blut kocht; er könnte den Mädchen in seinem Viertel nachlaufen, anständig bleiben und doch zu allerlei Vergnügen kommen, mit einem Wort, seinen bescheidenen Teil am eintönigen Glück der Armen haben. Wenn ich ihn jedoch hierher mitten in einen Luxus führe, den er nicht einmal geahnt hat und der sich tief in sein Gedächtnis einprägt, wenn ich ihm alle vierzehn Tage ein solches Fest gebe, werden ihm diese Freuden, die seine Mittel ihm nicht erlauben, zur Gewohnheit werden; nehmen wir an, drei Monate seien nötig, bis sie ihm absolut unentbehrlich geworden sind - und so, wie ich sie verteile, laufe ich keine Gefahr, ihn zu übersättigen -, kurz, nach Verlauf dieser drei Monate entziehe ich ihm die Rente, die ich für diesen guten Zweck im voraus an dich bezahle; dann wird er stehlen, um hierher gehen zu können, er wird alles tun, um sich auf diesem Sofa, unter diesem Leuchter, wälzen zu können!

Er wird, wenn es darauf ankommt, hoffentlich den Mann töten, der im falschen Moment erscheint, während er seinen Schreibtisch aufzubrechen versucht. Dann ist mein Zweck erreicht, und innerhalb der Grenzen meiner Mittel werde ich dazu beigetragen haben, einen Schuft zu schaffen, einen Feind mehr für diese widerliche Gesellschaft, die uns erpreßt.« - Joris-Karl Huysmans, Gegen den Strich. Berlin u.a. 1972 (Ullstein-Buch 2896, zuerst 1984)

Mördermachen (2)  Madeleines riesige graue Augen sahen ihn traurig an. »Ich habe viel nachgedacht, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe, Edmund.«

»Ja?« Etwas Kaltes schien sich um Dr. Bickleighs Herz zu krallen und es zusammenzudrücken.

»Es kann so nicht weitergehen.«

»Du meinst - uns?«

»Ja.«

Dr. Bickleigh fuhr mit der Zunge über seine trockenen Lippen. »Warum nicht?«

»Es ist nicht anständig. Julia gegenüber.«

»Aber... sie hat mich nicht gern, Madeleine. Ebensowenig wie ich sie.«

»Dennoch, sie ist deine Frau. Nein, es wäre nicht anständig.«

»Aber sonst wäre es nicht anständig uns gegenüber.«

Madeleine schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe alles durchdacht. Wir dürfen so nicht weitermachen.«

Dr. Bickleigh starrte vor sich ins Dunkel. Er sah Madeleine an. Auch auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck des Leidens. Wie edel sie war. Wie selbstlos war sie immer! Und das Julias wegen!

»Ich kann dich nicht aufgeben«, brach es leidenschaftlich aus ihm heraus. »Madeleine, Liebling, ich kann es nicht. Ich werde es. nicht tun!«

»Du mußt, Edmund«, erwiderte sie traurig.

»Und jetzt, kaum, daß ich dich gefunden habe. Ich kann es nicht.«

»Liebst du mich so sehr?«

Dr. Bickleigh versuchte, ihr zu sagen, wie sehr er sie liebte. Das führte ihn an das andere Ende des Bootes, neben sie. Sie schüttelte stumm den Kopf, aber er zog sie an sich, und als seine Arme sie umschlossen, gab sie nach. Er hielt sie eng an sich gepreßt und beteuerte die Unmöglichkeit, sie aufgeben zu können. Sie schloß ihre Augen, und er küßte sie sanft. Sie ließ ihn ihre Lippen küssen. - Francis Iles, Vorsätzlich. München o. J. (Goldmann 3059, zuerst 1931)

Mördermachen (3)
Mörder Machen
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