achlehrer Als
Monsieur Cupis kam, um mir die erste Menuettlektion zu erteilen, war er
sechzig, ich war zehn, und ich war ebensogroß wie er. Er zog aus seiner Tasche
eine winzige Geige, reichte mir den Arm, ließ mich einen Kratzfuß machen, doch
statt mir das Tanzen beizubringen, lehrte er mich das Lachen: Es war mir einfach
unmöglich, die Schlitzäuglein dieses Herrn Cupis, seine Perücke, seine Weste,
die ihm bis zu den Knien reichte, seinen Anzug aus besticktem Samt zu sehen,
seine burlesken Versuche, aus mir einen Tänzer zu machen, hinzunehmen, ohne
dabei vor Lachen eine geschwollene Milz zu bekommen. Sosehr er sich abmühte,
nie schaffte er, daß ich mich nach den schrillen Tönen seines Instruments bewegte;
stets kämpfte ich mit der Versuchung, ihm über den Kopf zu hüpfen. Abends schilderte
ich Herrn Cupis meinen Kameraden von Kopf bis Fuß; ohne ihn wäre ich niemals
Schriftsteller geworden: Er war es, der den Keim, aus dem später das ,Tableau
de Paris' erwuchs, in mir zum Leben erweckte. Ich mußte seine groteske Physiognomie,
seine kurzen Arme, seinen spitzen Schädel einfach schildern, und von jener Zeit
an begann mir das Beschreiben Spaß zu machen.
- Louis Sébastien Mercier, Mein Bild von Paris.
Frankfurt am Main 1979 (zuerst 1788, it 374)
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