örangebot
Er lief wieder einmal hinterm Großen Ring; diesmal, vielleicht zu
einem Rendezvous unterwegs, in ziemlicher Eile, er nahm das Hörangebot nur so
im Vorbeigehn - gewohnheitsgemäß, mit halbem Ohr - wahr, da alarmierte ihn ein
Geräusch. Es war ein böses, durchdringendes
Zischen, wie wenn aus einer lecken Psychoklimaanlage
das unter enormem Druck stehende hochgiftige Hypnocyanamylnitrit ausströmt,
und wären die üblichen Dialoge nicht gewesen, darin ein Opfer einen Überwältiger
anfleht, ihm statt dieses gräßlichen Todes ein schmerzloses Zerstrahlen zu gönnen,
hätte Jirro an eine reale Katastrophe geglaubt. - So war es nur ein Kriminalfilm
(328. Folge der in der Hauptstadt allerdings wenig bekannten Serie »Was auch
dir heute nacht noch zustoßen kann«), und wider Willen mäßigte Jirro den Schritt.
Der Foltertod durch Gas war ihm neu, doch wiewohl er dies war und Jirro nur
hörte, stand ihm jedes Detail vor Augen, denn der Mörder schilderte höhnend
dem Opfer, das sich offenbar in einem Glaskasten befand, welcher Anblick sich
ihm anbot, und zwar in dem Grad, in dem das Gas seine Schuldigkeit tat. Es ist
nicht nötig, die Details weiterzugeben; was Jirro hörte, war eine minutiöse
Beschreibung der sich bis ins Weiße verdrehenden Blicke und eines in Krämpfen
sich wölbenden Brustkorbs, darunter die Lunge in dem Maß gieriger ihr Verderben
in sich hineinsaugen muß, in dem es sie zu zerstören beginnt. - Das wurde als
Augenweide geschildert, und Jirro, wiewohl ihn ein Gemisch von Grauen, Gebanntsein
und Würgen ankam, blieb stehen und sah hörend die Szene und sah, obwohl es dafür
kein ausreichendes Indiz gab, das Opfer in Gestalt einer Frau; er hörte die
Stimme des Mörders flüstern, eine Huldigung an zwei sich verfärbende Lippen,
da -
- Franz Fühmann, Die Straße der Perversionen. In:
F. F., Saiäns-fiktschen. Darmstadt und Neuwied 1986
|
||
|
|
|