utteral  Vor zwei Monaten starb in unserer Stadt ein gewisser Belikow, ein Lehrer des Griechischen, mein Kollege. Sie haben natürlich von ihm gehört. Er fiel dadurch besonders auf, daß er stets, sogar bei sehr gutem Wetter, in Galoschen und mit einem Schirm ausging, wobei er unbedingt einen warmen wattierten Mantel trug. Sein Schirm stak in einem Überzug, und auch seine Uhr lag in einer Hülle aus grauem sämischem Leder, und wenn er ein Federmesser hervorzog, um seinen Bleistift zu spitzen, dann war auch das Messer in einem kleinen Überzug; und genauso schien sein Antlitz in einem Überzug zu stecken, da er es die ganze Zeit hinter seinem aufgeschlagenen Kragen verbarg. Er trug eine dunkle Brille, ein Kamisol, in seinen Ohren stak immer Watte, und wenn er in eine Droschke stieg, dann befahl er stets, das Verdeck aufzuschlagen, mit einem Wort, man konnte bei diesem Menschen das stete und unüberwindliche Bestreben beobachten, sich mit einer Hülle zu umgeben, sich sozusagen ein Futteral für sich selber zu schaffen, das ihn absondern und ihn vor äußeren Einflüssen behüten könnte.

Die Wirklichkeit erbitterte ihn, sie erschreckte ihn und hielt ihn in ständiger Aufregung, und vielleicht nur, um seine Schüchternheit und seine Abneigung wider die Gegenwart zu rechtfertigen, pries er beständig die Vergangenheit und rühmte das, was es nie gegeben hat; und so waren auch die alten Sprachen, die er lehrte, für ihn in Wahrheit genau die gleichen Galoschen und der gleiche Schirm, mit denen er sich vor dem realen Leben verbarg.

›O wie klangvoll, wie schön ist doch die griechische Sprache‹, pflegte er mit süßlichem Ausdruck zu sagen; und dann sprach er wie zum Beweis seiner Worte mit zugekniffenen Augen und erhobenem Finger: ›anthropos.‹

Und auch seine Gedanken bemühte sich Belikow in ein Futteral zu stecken. Klar waren für ihn nur Zirkulare und Zeitungsartikel, in denen irgend etwas verboten wurde. Wenn in einem Zirkular den Schülern verboten wurde, nach neun Uhr abends auf die Straße zu gehen, oder wenn in irgendeinem Artikel die Geschlechtsliebe verboten wurde, so war das für ihn klar und deutlich: es war verboten, und damit basta. In einer Erlaubnis aber und einer Genehmigung barg sich für ihn ständig ein Element des Zweifels, etwas nicht zu Ende Gesprochenes und Unklares. Wenn in der Stadt ein dramatischer Zirkel genehmigt wurde oder eine Lesestube oder eine Teestube, dann schüttelte er nur den Kopf und sagte leise: ›Gewiß, gewiß, das ist schon recht, das ist alles sehr gut, nur daß nichts daraus entstehe.‹  - (tsch)
 

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