Es besagte dann etwas, einfach, wenn ein Mann ging, ein Strauch sich bewegte, der Obus gelb war und zum Bahnhof abbog, die Straßenkreuzung ein Dreieck bildete, die Kellnerin an der Tür stand, die Kreide auf dem Rand des Billardtisches lag, es regnete, und, und, und.
Ja, das war es, der Gegenwart wurden die
Gelenke eingesetzt! - Peter Handke, Versuch über die Jukebox, Frankfurt
am Main 1990
D. R./: Gehe in 1 großen Fremdheit des
Verstandes hier durch!/(&: dieses ist nach 3 Tausend Jahren Kultur &
Abendland & Dichten, Empfinden, Denken, Sehen, Spüren: die Gegenwart!) - (
rom
)
Die Zukunft ist eine Ziege |
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Roland Topor, Die Bar der Zukunft. Aus: Tintenfass 11. Zürich 1984
Ihr rechter Unterarm juckt. Sie kratzt
sich. Sie geht unruhig auf und ab. Ihr jucken die Waden, der Hals, sogar
ihre Muskeln jucken, aber nicht vor Lust. So fängt es immer an. Und jeden
Tag geht der Juckreiz früher los, du lieber Himmel, jeden Tag früher. - Andreu Martín, Die Stadt, das
Messer und der Tod. Bühl-Moos, Baden-Baden 1994
-
(schop)
Gegenwart (6) Das Substrat, oder die Ausfüllung, oder der Stoff der Gegenwart ist durch alle Zeit eigentlich der selbe. Die Unmöglichkeit, diese Identität unmittelbar zu erkennen, ist eben die Zeit, eine Form und Schranke unsers Intellekts. Daß, vermöge derselben, z. B. das Zukünftige noch nicht ist, beruht auf einer Täuschung, welcher wir inne werden, wann es gekommen ist. Daß die wesentliche Form unsers Intellekts eine solche Täuschung herbeiführt, erklärt und rechtfertigt sich daraus, daß der Intellekt keineswegs zum Auffassen des Wesens der Dinge, sondern bloß zu dem der Motive, also zum Dienst einer individuellen und zeitlichen Willenserscheinung, aus den Händen der Natur hervorgegangen ist *.
Wenn man die uns hier beschäftigenden Betrachtungen zusammenfaßt, wird man auch den wahren Sinn der paradoxen Lehre der Eleaten verstehn, daß es gar kein Entstehn und Vergehn gebe, sondern das Ganze unbeweglich feststehe: Parmenides und Melissos leugneten das Entstehen und Vergehen, weil sie das All für unbeweglich hielten (nach Stobäus). Imgleichen erhäit hier auch die schöne Stelle des Empedokles Licht, welche Plutarch uns aufbehalten hat, im Buche Adversus Coloten:
Toren sind sie, ermangelnd des weitausblickenden
Denkens,
Die da wähnen, es könne entstehen, was nicht schon gewesen,
Oder
es könne vergehen und gänzlich werden zu nichte.
Niemals wird in den Sinn
dergleichen kommen dem Weisen,
Daß wir, solange wir leben, - was man so
als Leben bezeichnet -
Nur so lange auch seien behaftet mit Schlimmem und
Gutem,
Und daß wir vor der Geburt und nach dem Tode ein Nichts sind.
* Es giebt nur Eine Gegenwart, und
diese ist immer: denn sie ist die alleinige Form des wirklichen Daseyns, Man
muß dahin gelangen einzusehn, daß die Vergangenheit nicht an sich von
der Gegenwart verschieden ist, sondern nur in unserer Apprehension, als weiche
die Zeit zur Form hat, vermöge welcher allein sich das Gegenwärtige als verschieden
vom Vergangenen darstellt. Zur Beförderung dieser Einsicht denke m#n sich alle
Vorgänge und Scenen des Menschenlebens, schlechte und gute, glückliche und unglückliche,
erfreuliche und entsetzliche, wie sie im Laufe der Zeiten und Verschiedenheit
der Oerter sich successiv in buntester Mannigfaltigkeit und Abwechselung uns
darstellen, als auf ein Mal und zugleich und immerdar vorhanden, im Nunc
stans [beharrenden Jetzt], während nur scheinbar jetzt Dies, jetit Das ist;
- dann wird man verstehn, was die Objektivation des Willens zum Leben eigentlich
besagt. - Auch unser Wohlgefallen an Genre-Bildern beruht hauptsächlich darauf,
daß sie die flüchtigen Scenen des Lebens fixiren. - Aus dem Gefühl der ausgesprochenen
Wahrheil ist das Dogma von der Metempsychose [Seelenwanderung]
hervorgegangen. - (
wv
)
Gegenwart (7)
»Aber auch die Bilder, wie sie mir im nachhinein
zufliegen oder zugeblitzt werden aus der Sierra, sehe ich andererseits jeweils
in der Gegenwart. Alle derartigen Bilder -um die allein es mir für meine und
unsere Geschichte zu tun ist -, nicht bloß die aus der Sierra de Credos, spielen
in der Gegenwart. Ja, im Unterschied zu meinen Schrecknissen und Widrigkeiten
werden die Bilder mir spielend gegenwärtig; das Bild selbst als ein Spiel, in
welchem eine grundverschiedene Gegenwart gilt als meine persönliche. Die Bilder
spielen in einer unpersönlichen Gegenwart, die mehr, weit mehr ist als meine
und deine; spielen in der großen Zeit, und in einer einzigen Zeit-Form, auf
welche, wenn ich sie, die Bilder, bedenke, auch nicht >Gegenwart< zutrifft
- nein, die Bilder spielen auch nicht in einer größeren oder großen Zeit, sondern
in einer Zeit und in einer Zeit-Form, für welche
beide es weder ein Beiwort noch überhaupt einen Namen gibt.« - Peter Handke, Der Bildverlust. Frankfurt am Main 2002
Gegenwart (8) »Madie die Gegenwart zu keinem
Mittel der Zukunft, denn diese ist ja nichts anderes als eine kommende
Gegenwart, und jede verachtete Gegenwart war ja eine begehrte Zukunft.« - Jean Paul, Levana
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