xperimente,
moralische Man antworte jenen, die wissen möchten, welchen
Experimenten die Toten unterzogen werden sollen, folgendes:
»Moralische Experimente: welche Reaktionsfähigkeit sie auf Gut und Böse haben,
ob sie zu wechselseitigen Affekten, Eifersüchten, Verdächtigungen fähig sind;
ob sie misanthropisch oder gesellig sind; ob Spaßvögel oder Hypochonder; ob
sie den bösen Blick und Verhexungen fürchten; ob sie endogam oder exogam sind,
genauer gesagt, ob sie sich mit Toten anderer Konstellation paaren oder ob sie
gezwungen sind, mit Mitirdischen zu zeugen; oder ob sie etwa weder Geschlecht
noch Zeugung kennen. Wissenschaftliche Experimente: ob sie einer irgendwie gearteten
Evolution unterliegen; ob sie gute Stromleiter sind; schließlich, ob sie sterblich
sind und, wenn ja, ob man sie ermorden kann. In welch
letzterem Fall es möglich wäre, nachzuprüfen, was einige vermuten: daß nicht
nur unser Tod ihre Geburt ist, offensichtlicherweise, sondern ihr Tod unsere
Geburt. In jedem Fall würden diese Experimente es erlauben, daß wir unsere Vorfahren
wiedererlangen, die man in winzige, tragbare und feste Behälter verschließt:
und solches Zylinderröhrchen randvoll mit Toten von heutigentags bis zurück
zum Neandertaler wäre ein für unsere Zeit passender Adels-Stammbaum und zugleich
das unerschöpfliche Depot unserer Vergangenheit, aus welchem wir, dank geeigneter
Haltung der Toten unendliche Informationen, Seltsamkeiten und Erleuchtungen
ziehen könnten«. - Giorgio Manganelli, Diskurs über
die Schwierigkeit, mit den Toten zu sprechen. In: G. M., An künftige Götter.
Sechs Geschichten. Berlin 1983 (zuerst 1972)
|
||
|
||