Eindruck, erster   Bedingung physiohnomischer Erkenntnis ist, daß man seinen Mann mit rein objektivem Blick auffasse; welches so leicht nicht ist. Sobald nämlich die leiseste Spur von Abneigung, oder Zuneigung, oder Furcht, oder Hoffnung, oder auch der Gedanke, welchen Eindruck wir selbst jetzt auf ihn machen, kurz, irgend etwas Subjektives sich einmischt, verwirrt und verfälscht sich die Hieroglyphe. Wie den Klang einer Sprache nur Der hört, welcher sie nicht versteht, weil sonst das Bezeichnete das Zeichen sogleich aus dem Bewußtseyn verdrängt; so sieht die Physiognomie eines Menschen nur Der, welcher ihm noch fremd ist, d. h. nicht durch öfteres Sehn, oder gar durch Sprechen mit ihm, sich an sein Gesicht gewöhnt hat. Demgemäß hat man den rein objektiven Eindruck eines Gesichts, und dadurch die Möglichkeit seiner Entzifferung, streng genommen, nur beim ersten Anblick. Wie Gerüche uns nur bei ihrem Eintritt afficiren und der Geschmack eines Weins eigentlich nur beim ersten Glase; so machen auch Gesichter ihren vollen Eindruck nur das erste Mal. Auf diesen soll man daher sorgfältig achten: man soll ihn sich merken, ja, bei persönlich uns wichtigen Menschen, ihn aufschreiben; wenn man nämlich seinem eigenen physiognomischen Gefühle trauen darf. Die nachherige Bekanntschaft, der Umgang, wird jenen Eindruck verwischen: aber die Folge wird ihn einst bestätigen.

Inzwischen wollen wir hier uns nicht verhehlen, daß jener erste Anblick meistens höchst unerfreulich ist: - allein wie wenig taugen auch die Meisten! - Mit Ausnahme der schönen, der gutmüthigen und der geistreichen Gesichter, - also höchst weniger und seltener, - wird, glaube ich, fein fühlenden Personen jedes neue Gesicht meistens eine dem Schreck verwandte Empfindung erregen, indem es, in neuer und überraschender Kombination, das Unerfreuliche darbietet. Wirklich ist es, in der Regel, ein trübsäliger Anblick (a sorry sight). Einzelne giebt es sogar, auf deren Gesicht eine so naive Gemeinheit und Niedrigkeit der Sinnesart, dazu so thierische Beschränktheit des Verstandes ausgeprägt ist, daß man sich wundert, wie sie nur mit einem solchen Gesichte noch ausgehn mögen und nicht lieber eine Maske tragen. Ja, es giebt Gesichter, durch deren bloßen Anblick man sich verunreinigt fühlt.   - (schop)

Eindruck, erster (2)

 

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