Brasilianerin  Ist das die kreolische Mentalität oder das schwerfällige portugiesische Erbgut? Schon die kannibalischen Tupis waren für ihre tiefgründige Schwermut bekannt, für ihre Totenlieder und Trauertänze, für die Tränen, die sie bei jeder Gelegenheit, selbst bei einer glücklichen Begegnung, vergossen! Und was soll man von ihren Frauen halten, mit denen die paulistischen bandeirantes ein neues Geschlecht zeugten? Es waren Indianerinnen, tätowierte, oft prachtvolle Weiber, aber schwermütig und ständig in Tränen zerfließend. Die heutigen Brasilianerinnen leiden an Verdrängungen. Sie sind voller Leidenschaft. In den Tropen ist Liebe eine Geisteskrankheit. Noch nirgends sah ich so viele kleine Holzkteuze wie an den Pfaden, die in die Einöden des Landesinnern führen. Das ist nicht das Werk von Mördern und Räubern, von den salteadores der Landstraße, sondern von Eifersüchtigen! Und der eifersüchtige Bösewicht, der ehrenhafte Rächer, der «Rächer seiner Ehre», der Lusitanier, verirrt sich, stolz auf seine Tat, gerne im Wald. Manchmal stößt man dann auf sein Skelett. Der Selbstmord geht um in diesem Urwald, der mit seinem wuchernden Leben, seinen Totems, Tieren, Schlangen, Pflanzen, giftigen Insekten, mit seiner Fäulnis und dem Geruch seiner phosphoreszierenden Verwesung bei Tag und bei Nacht ein Alptraum ist.    - Blaise Cendrars, Sternbild Eiffelturm. Zürich 1982 (zuerst 1949)
 
 

Amerikaner Frau

 

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