bbreviator
Nachdem das Gift den alten geistlichen Kammerherrn in den Himmel
befördert hatte, den er einst seiner familia beizutreten bat, mit dem Ziel,
das Amt des Abbreviators und die damit verbundenen Benefizien
von ihm zu erben, sagte er sich, daß nun auch für ihn der Augenblick 'gekommen
sei, wachsam zu sein. In wessen Auftrag war der alte Kleriker vergiftet worden?
Alles schien klar als man erfuhr, daß das Amt des Abbreviators in den Büros
der Datarie schon vorgemerkt war, für den Fall, daß es durch Verzicht oder Tod
des Inhabers verfügbar würde, und zwar für seine Eminenz den Kardinal Valerio
Ottoboni. So hatte also Kardinal dellaTorre diesen über jede Toleranzgrenze
hinaus lästigen und gefräßigen Alten sechs Jahre lang in seinem Hause durchgefüttert,
um dann zu erfahren, daß ein Fremder ihm das Amt gestohlen hatte - mit einem
Handstreich, der ihn im übrigen bei der gesamten Römischen Kurie lächerlich
machte. Ein niederträchtiger Raub und ein entwürdigendes Schelmenstück, zumal
Kardinal Ottoboni sich nicht damit begnügte, das Amt des Abbreviators an sich
zu reißen, das er seinem schon reichen cursus honorum beifügte, sondern den
Anlaß auch noch mit einem großen Bankett feierte, an dem zahlreiche Mitglieder
des Kardinalskollegiums teilnahmen. Die Schmach war umso bitterer, als sie die
Komplizenschaft zwischen den Beamten der Datarie offenbarte, welche die Vormerkung
des Kardinals Ottoboni eingetragen hatten, ohne denjenigen zu verständigen,
der den alten Amtsinhaber schon seit Jahren in seinem Haus beherbergte. Der
Erwerb des Abbreviatoramts und der damit verbundenen Benefizien fügte sich in
einen großangelegten Plan Ottobonis, der die Anhäufung jener päpstlichen Pfründen
anstrebte, die nicht nur die einträglichsten waren, sondern auch nicht in Gefahr
standen abgeschafft zu werden. - Luigi Malerba, Die nackten Masken. Berlin 1995
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