imperliese Der Prinz Philipp, Thronfolger, trifft bei einem Spaziergang dieses nicht anziehende, abstoßende Mädchen. Yvonne ist latschig, apathisch, schwächlich, schüchtern, langweilig und ängstlich. Der Prinz kann sie vorn ersten Augenblick an nicht ausstehen, sie enerviert ihn zu sehr; aber zugleich kann er auch nicht ausstehen, daß er die unglückselige Yvonne hassen muß. Und in ihm bricht eine Empörung aus gegen das Gesetz der Natur, das den Jünglingen gebietet, nur anziehende Mädchen zu lieben. - Ich werde mich dem nicht unterwerfen, ich werde sie lieben! — schleudert er seiner Natur die Herausforderung entgegen und verlobt sich mit Yvonne.
Yvonne, am königlichen Hof eingeführt als Verlobte des Prinzen, wird zu einem
zersetzenden Faktor. Die stumme, verschüchterte Gegenwart ihrer mannigfaltigen
Defekte verursacht, daß jedem seine eigenen verheimlichten Mängel, Schmutzigkeiten
und kleinen Sünden zu Bewußtsein kommen . . ., und bald verwandelt sich der
Hof zu einer Brutstätte von Ungeheuerlichkeiten. Und jedes dieser Ungeheuer,
einschließlich des Prinzen, beginnt vor Begierde zu brennen, diese unausstehliche
Zimperliese zu ermorden. Der Hof mobilisiert schließlich all seinen Glanz, alle
Pracht und Hoheit, und tötet sie »von oben her«. -
Witold Gombrowicz, Eine Art Testament. Gespräche und Aufsätze. Frankfurt am Main
2006 (Fischer Tb. 16758, zuerst 1968)
Zimperliese (2) Wenn Cagliostro
sich bei uns das geringste von solch einer abscheulichen, und gewiß fabelhaften,
Aufnahme hätte entfallen lassen, als gewisse Memoires authentiques de Cagliostro
(die, so viel ich von dessen Geschichte weiß, sehr unauthentisch sind) den Pariserinnen
ohne alle Wahrscheinlichkeit, angedichtet haben, gewiß jede und jeder aus unserer
Gesellschaft, ihn als den nichtswürdigsten Buben verabscheuet und ihm alles
Vertrauen entzogen haben würde? Cagliostro kannte sein Publikum, auf welches
er hier wirken wollte, zu genau, als daß er nicht jeden von uns, mit dem er
zu tun hatte, so behandelt hatte, daß er sich seines Vertrauens bald bemeisterte;
auch muß ihm das Unverdorbene unserer Sitten so aufgefallen sein, daß er sich
es gleich berechnen konnte, er würde allen Einfluß bei uns verlieren, wenn er
sich irgend einen leichtsinnigen Anstrich geben wollte. Daher war er bei uns
ein strenger Sittenprediger. Ob zwar ihm der feine Anstand der großen Welt mangelte,
so war er darin doch sehr auf seiner Hut, daß ihm, wenn er sich beim Frauenzimmer
befand, nie ein unanständiger Scherz entfiel. Das Ungeschliffene in seinen Manieren,
das wir wohl bemerkten, setzten wir auf Rechnung seines vorgeblichen langen
Aufenthaltes in Ägypten und Medina. Gegen Ende seines
Aufenthalts ließ er sich einmal etwas unanständiges entfahren. Da er aber von
allen seinen Zuhörern zur Rede gesetzt ward; so zog er sich mit vieler List
gleich zurück. Gleichwohl erweckte dieser Vorfall mein erstes ernsthaftes Mißtrauen
gegen ihn. - Elise von der Recke, nach: Cagliostro. Dokumente zu Aufklärung
und Okkultismus. Hg. Klaus H. Kiefer. München, Leipzig und Weimar 1991 (Bibliothek
des 18.Jahrhunderts)
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