eit, rückläufige
Aus reiner Neugier stellte er
das vorsintflutliche Radio an: Die gelbe Skala leuchtete
auf, der Apparat gab ein lautes
60-Hertz-Brummen von sich und in all den statischen Störgeräuschen fand
er schließlich einen Sender. »Und wieder ist es Zeit für die Pepper
Young Family«, hörte er den Ansager plärren, dann erklang Orgelmusik.
»Präsentiert von Camay, der milden Seife für wunderschöne Frauen.
Gestern hatten für Pepper die Anstrengungen eines ganzen Monats ein
plötzliches Ende gefunden, als ...« Chip drehte das Radio wieder ab.
Eine Soap Opera aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Er war
fasziniert von der Logik der Veränderungen m dieser sterbenden
Halblebenwelt - oder was immer sie war.
Er sah sich im Wohnzimmer um und entdeckte einen kleinen,
verschnörkelten Tisch, auf dessen Glasplatte eine Ausgabe des
LIFE-Magazins lag - die ebenfalls vor dem Zweiten Weltkrieg erschienen
war und damals eine Fortsetzungsserie mit dem Titel »Blitz in der Nacht«
veröffentlicht hatte, eine futuristische Fantasy-Geschichte um einen
Atomkrieg. Er blätterte etwas darin herum und suchte dann nach weiteren
Veränderungen.
Der äußerst widerstandsfähige Plastikfußboden bestand jetzt aus langen
weichen Holzdielen und m der Mitte des Zimmers lag ein verblichener
türkischer Teppich, bedeckt mit einer dicken Staubschicht.
Ein Bild hing an der Wand, ein einfarbiger gerahmter Druck, der einen
sterbenden Indianer auf einem Pferd zeigte. Auch das hatte er nie zuvor
gesehen.
Anstelle des Videophons besaß er jetzt ein schwarzes bauchiges Telefon
mit Wählscheibe. Er nahm den Hörer ab und hörte eine weibliche Stimme:
»Die Nummer, bitte.« Er legte wieder auf.
Die Thermostatheizung war offenbar verschwunden. In einer Ecke des Wohnzimmers entdeckte er einen Gasofen mit einem Abzugrohr aus Blech, das an der Wand entlanglief, beinahe bis zur Decke.
Er ging ins Schlafzimmer und öffnete den Schrank, kramte darin herum,
suchte ein paar Sachen heraus: Schwarze Oxfordschuhe, Wollsocken,
Knickers, ein blaues Baumwollhemd, einen Kamelhaarmantel und eme
Golfmütze. Für einen förmlicheren Anlass stellte er folgende Garderobe
zusammen: Einen blauschwarzen Nadelstreifenanzug, Hosenträger, eine
breite Krawatte mit Blumenmuster und ein weißes Hemd mit
Celluloidkragen. Und schließlich fand er im Schrank noch eme Golftasche
mit aller Art von Schlägern - ein echtes Relikt.
Zurück im Wohnzimmer sah er an die Stelle, wo früher seine
Polyphon-Anlage gestanden hatte. Alles war verschwunden - der
Multiplex-Tuner, der gewichtslose Tonarm, die Lautsprecher und
Metaphasenverstärker, alles. Stattdessen begrüßte ihn ein großes
schmales Gerät aus Holz. An der Seite hatte es eine Kurbel und Chip
brauchte erst gar nicht den Deckel zu öffnen, um zu wissen, welches
Soundsystem er nun besaß. Ein Päckchen Grammophonnadeln lag auf dem
Bücherbrett daneben sowie eine /8er Schallplatte mit dem Aufdruck »Das
Ray Nobles Orchestra spielt Turkish Delight«. Das war alles, was von
seiner umfangreichen Plattensammlung übrig geblieben war.
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(ubik)
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