Whisky   Miss Amelias selbstgebrannter Whisky ist von ganz besonderer Art. Er brennt auf der Zunge, rein und scharf; hat man ihn aber geschluckt, dann wärmt er einem noch lange das Herz. Und das ist nicht alles. Bekanntlich bleibt eine Botschaft, die mit Zitronensaft auf ein sauberes Blatt Papier geschrieben wurde, völlig unsichtbar; wird jedoch das Papier einen Augenblick ans Feuer gehalten, dann werden die Buchstaben braun, und ihr Sinn tritt klar hervor. Stellt euch nun vor, der Whisky sei das Feuer und die Botschaft sei das, was nur unserem innersten Herzen bekannt ist - dann seht ihr ein, wie wertvoll Miss Amelias Branntwein ist. Dinge, die uns bis dahin verborgen waren, Gedanken, die in den hintersten Winkel unsres dunkeln Geistes verdrängt worden waren, werden plötzlich erkannt und begriffen. Ein Spinner, der nur an seine Spinnmaschine gedacht hat, an seinen Henkelmann, sein Bett und wieder an seine Spinnmaschine, trinkt vielleicht mal am Sonntag von ihrem Whisky und sieht unterwegs eine Sumpflilie. Und er wird die Blüte in die Hand nehmen, wird den goldenen, kunstvollen Blütenkelch betrachten, und plötzlich trifft ihn ihre Lieblichkeit - so heftig wie ein Schmerz. - (bal)

Whisky (2) Er schmeckte komisch, als ich ihn durch die Kehle laufen ließ. Dann kam der Moment der plötzlichen Erleuchtung. Ich wußte so genau, als ob ich dabei zugesehen hatte, daß er sein Glas gegen ein anderes vertauscht hatte, das schon in dem Schrank bereitgestanden hatte.

Ich saß einen Moment ganz ruhig mit dem leeren Glas zwischen den Fingern da und sammelte meine Kräfte. Madders Gesicht wurde größer, wurde zu einem Mond, verschwamm. Ein fettiges Lächeln zuckte unter seinem Chinesenschnurrbart hin und her, als er mich beobachtete.

Ich griff in meine Gesäßtasche und zog ein ungefaltetes Taschentuch heraus. Die kleine Pistole, die ich darin hatte, schien für ihn nicht sicht= bar zu sein. Zumindest bewegte sich Madder nach einem ersten Griff unter seine Jacke nicht mehr.

Ich stand auf, taumelte betrunken vor und klatschte ihm eine von oben direkt auf den Kopf.

Er gackerte und wollte aufstehen. Ich erwischte ihn am Kinn. Er wurde schlaff, und seine Hand unter der Jacke schlug nach vorn und fegte sein Glas auf der Schreibtischplatte um. Ich stellte es wieder auf, blieb ruhig stehen und lauschte, kämpfte gegen die aufsteigende Welle lähmender Übelkeit.

Ich schwankte auf die Verbindungstür zum Nebenzimmer zu und versuchte die Klinke. Sie war abgeschlossen. Ich taumeite jetzt wirklich. Zerrte einen der Stühle zur Eingangstür und klemmte ihn mit dem Rücken unter die Klinke, lehnte mich keuchend gegen die Tür, knirschte mit den Zähnen und verfluchte mich selbst. Ich zog Handschellen aus der Tasche und taumelte wieder zu Madder hin.

Ein sehr hübsches, graziles, grauäugiges Mädchen trat aus dem Wandschrank und richtete eine 32er auf mich.  - Raymond Chandler, Gefahr ist mein Geschäft. Frankfurt am Main und Berlin 1966

Whisky (3)  Mr. Barter  ging etwas schneller, als er die Stadtmitte erreichte und von da die Schritte zu seinem Zimmer in der George Street lenkte, doch nach all dem guten Whisky, den er getrunken hatte, waren seine Gedanken schwer, kalt und steif wie eine Ladung glotzäugiger toter Fische auf einer blutbefleckten Schubkarre. - (cowp)
 
 

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