ischaugen Ich
bin allein mitten unter diesen fröhlichen und vernünftigen Stimmen. Alle diese
Typen verbringen ihre Zeit damit, sich zu erklären, voller Glück festzustellen,
daß sie derselben Meinung sind. Wie wichtig sie es nehmen, mein Gott, alle zusammen
dasselbe zu denken. Man braucht nur zu sehen, was für ein Gesicht sie machen,
wenn in ihrer Mitte einer dieser Menschen mit Fischaugen auftaucht, die nach
innen zu sehen scheinen und mit denen man sich ganz und gar nicht mehr einigen
kann. Als ich acht Jahre alt war und im Jardin du Luxembourg spielte, war da
so einer, der sich immer in ein Wärterhäuschen vor dem Gitter setzte, das an
der Rue Auguste-Comte entlangläuft. Er redete nicht, aber von Zeit zu Zeit streckte
er das Bein aus und sah erschreckt auf seinen Fuß. An diesem Fuß trug er einen
Schnürstiefel, aber der andere Fuß steckte in einem Pantoffel. Der Parkwächter
hat meinem Onkel gesagt, das sei ein ehemaliger Konrektor. Man hatte ihn in
den Ruhestand versetzt, weil er zum Verlesen der Schulzeugnisse im Talar in
die Klassen gekommen war. Wir hatten gräßliche Angst vor ihm, weil wir spürten,
daß er allein war. Eines Tages hat er Robert zugelächelt und hat von weitem
die Arme nach ihm ausgestreckt: Robert wäre fast in Ohnmacht gefallen. Nicht
das armselige Aussehen dieses Typs machte uns angst, auch nicht die Geschwulst,
die er am Hals hatte und die an seinem Kragen scheuerte: sondern wir spürten,
daß er in seinem Kopf Krabben- oder Langustengedanken bildete. Und es erfüllte
uns mit Grauen, daß man über das Wärterhäuschen, über unsere Reifen, über die
Büsche Langustengedanken bilden konnte.
- Jean-Paul Sartre,
Der Ekel. Reinbek bei Hamburg 2004 (zuerst 1938)
Fischauge
(2) Am meisten fesselte Mr. Geards Aufmerksamkeit ein
riesiges Aquarium, das mitten im Zimmer auf einer
Bank stand. Nicht so weit davon befand sich auf einem mit Zeitschriften übersäten
Tisch eine Lampe, deren Licht, das auf die eine Seite des Aquariums fiel, im
Wasser ein Teilstück hell ausleuchtete, worin einige sehr energische und sehr
große Elritzen abwechselnd herumschössen und still verharrten. Diese lebhaften
Fische, von einem leuchtenden Leerraum umgeben, verbanden sich sehr innig mit
Bloody Johnnys Gefühlen, als er sich weiter erging. »Jemand muß den Anfang machen«,
sagte er gerade, »und warum nicht ich? Das Leben geht in Schüben und Sprüngen
vor und die Religion gleichfalls. Zweifellos ist dies der Augenblick für etwas
Drastisches... für etwas« - er suchte nach einem Wort, während eine leicht gefleckte
Schmerle, die ihren weißen Bauch aus dem Kies am Grunde des Aquariums hob, ihr
offenes Maul gegen die beleuchtete Glaswand des Behälters drückte und diesen
einzigartigen Propheten mit einem kalten Fischauge fixierte -, - »für etwas...
Wundersames. Es gibt nur etwa ein halbes Dutzend Zentren der Weltmagie
über den ganzen Globus verteilt — Jerusalem... Rom... Mekka... Lhasa - und davon
hat Glastonbury den größten Vorrat ungenutzter Kraft. Menschengenerationen,
ganze Äonen versunkener Rassen haben - durch ihre konzentrierten Willenskräfte
- Glastonbury wundersam gemacht. Doch seit den Tagen dieses unglaublichen Narren
Heinrich des Achten ist die Magie Glastonburys nicht genutzt worden.« -
(cowp)
Fischauge
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