eintrinker  Ein älterer Herr, der schon getrunken hat (zur Gegend stimmenden Gelbwein in einer durchwärmten Grünflasche), gönnt Haarboden und Panamamütze eine kleine Erholung voneinander und zitiert hierbei den vor 88 Jahren geborenen Hans Adler:

O letzte Lust, die noch dem Denker frommt!
Vom keuschen Mond verklärt, im Garten
Auf jene einzige zu warten,
Die niemals kommt.

Moment, sagt ein jüngerer Weingenosse, dessen Sonnengesicht zu dem Lied opponiert, das ist nicht so leicht abgetan; Sie müssen mir erst einmal beweisen, daß der Mond keusch ist; der Mond war schon zu Zeiten der alten Syrer eine Göttin der Empfängnis, und Jungfrauen — verstehn Sie!: richtige Jungfrauen — haben sich am Mondfest preisgeben — verstehn Sie!: richtig preisgeben — müssen. Junger Mann, sagt der Ältere zu dem 50jährigen, Sie sind im Irrtum: die Göttin Ischtar hat damals schon von allen Priestern und Priesterinnen das Zölibat verlangt; lesen Sie einmal altorientalische Geschichte; — aber ich habe an dem Vers etwas anderes auszusetzen. An einem Vers oder der ganzen Strophe?, triezt der 50jährige. Ich habe auszusetzen, antwortete der 70jährige, daß der Dichter sagt:

Auf jene einzige zu warten,
Die niemals kommt;

dabei kommt ja ein ganzer Schüppel nicht, nicht nur eine einzige; der 70 jährige lacht; oder gehts Ihnen besser?, fragt er den 50jährigen. Auch nichtmehr, sagt der.

Sie eröffnen sodann eine Diskussion, wie die Einzige beschaffen sein müßte, die niemals kommt, um zu der Ursache vorzustoßen, warum sie grundsätzlich nicht kommt. Sie beginnen mit den körperlichen Eigenschaften und trinken dazu ihren jeweiligen brackiggewärmten Gelbwein. - (oko)

Weintrinker (2)  Wenn ein Mann stirbt, der eine Frau hat, die kein Kind von ihm hat, dann verbrennt man die Frau bei lebendigem Leib mit dem toten Mann. Und sie sagen, sie hätten hier einander Gesellschaft geleistet, so sollten sie auch dort einander Gesellschaft leisten. Hat sie aber Kinder von ihm, dann läßt man sie leben; aber man hält sie fortan für erbärmlich und niederträchtig, so daß sie niemand jemals mehr achtet oder ihr traut. Wenn aber die Frau stirbt, so kann der Mann, wenn er es will, sich mit seiner Frau verbrennen lassen. Er kann sich aber auch eine andere nehmen. In dem Land wächst eine Unmenge an Wein; ihn trinken aber die Männer sehr selten, sondern nur die Frauen trinken ihn.   - Das Reisebuch des Ritters John Mandeville. Frankfurt am Main 1989 (zuerst ca. 1360)

Weintrinker (3)  Auf einem Bauernhof bei Karfreit lebte ein Knecht, der den Wein sehr liebte. Bei jedem neuen Glase pflegte er zu sagen: »Trinken wir noch ein Gläschen zu Ehren des heiligen Johannes!«

Einrnal ging er in angeheitertem Zustande spätnachts durch einen Wald nach Hause. Auf dem Richtplatz, an dem er vorbeimußte, sah er einen Verbrecher am Galgen hängen. In trunkenem Mute rief er diesem zu: »Komm morgen abend zu mir nachtmahlen!« Der Gehenkte erwiderte laut: »Mache nur alles fertig! Ich komme bestimmt!« Da packte den Knecht ein gewaltiger Schreck; im Nu wurde er nüchtern und rannte, so schnell er konnte, nach Hause. In der Nacht tat er kein Auge zu; am Morgen aber ging er zum Pfarrer und erzählte ihm sein unheimliches Abenteuer.  Der Pfarrer sagte:

»Hast du ihn eingeladen, so mußt du ihn auch erwarten.« In der Geisterstunde erschien der Tote pünktlich bei dem Knecht, warf die Teller auf dem Tisch durcheinander und machte einen fürchterlichen Lärm. Angstvoll schaute der Knecht zu. Schließlich wandte sich das Gespenst an ihn und sagte: »Heute war ich bei dir, morgen kommst du zu mir!« »Wohin?«

»Zum Galgenplatz, wo du mich gestern gesehen hast«, erwiderte das Gespenst und verschwand. Der Knecht legte sich in sein Bett, konnte aber nicht einschlafen.

Tags darauf begab er sich nach dem Avelauten in den Wald. Als er an der Schenke, die er sonst immer aufsuchte, vorbeikam, mochte er nicht einkehren. Da rief ihm ein weißgekleideter Knabe zu:

»Kehrst du denn heut' nicht ein?«

»Hab' keine Zeit«, sagte barsch der Knecht. Der Knabe aber redete ihm zu, und endlich trat er ein und trank sein Gläschen zu Ehren des heiligen Johannes. Als er nun in der Dunkelheit zum Richtplatz gekommen war, vernahm er die Stimme des Gehenkten:

»Du hast den Wem zu Ehren des heiligen Johannes getrunken; nun kann ich dich nicht brauchen. Mach nur, daß du nach Hause kommst!«

Der weißgekleidete Knabe, der ihn behütet hatte, war der heilige Johannes gewesen.   - Italienische Volksmärchen. Hg. und Übs. Felix Karlinger. Düsseldorf u. Köln 1980  (Diederichs, Märchen der Weltliteratur)

Weintrinker (4)  Schweigend saß ich in verlassener Schenke unter verrauchtem Holzgebälk und einsam beim Wein; ein strahlender Leichnam über ein Dunkles geneigt und es lag ein totes Lamm zu meinen Füßen. Aus verwesender Bläue trat die bleiche Gestalt der Schwester und also sprach ihr blutender Mund: Stich schwarzer Dorn. Ach noch tönen von wilden Gewittern die silbernen Arme mir. Fließe Blut von den mondenen Füßen, blühend auf nächtigen Pfaden, darüber schreiend die Ratte huscht. Aufflackert ihr Sterne in meinen gewölbten Brauen; und es läutet leise das Herz in der Nacht. Einbrach ein roter Schatten mit flammendem Schwert in das Haus, floh mit schneeiger Stirne. O bitterer Tod.

Und es sprach eine dunkle Stimme aus mir: Meinem Rappen brach ich im nächtigen Wald das Genick, da aus seinen purpurnen Augen der Wahnsinn sprang; die Schatten der Ulmen fielen auf mich, das blaue Lachen des Quells und die schwarze Kühle der Nacht, da ich ein wilder Jäger aufjagte ein schneeiges Wild; in steinerner Hölle mein Antlitz erstarb.

Und schimmernd fiel ein Tropfen Blutes in des Einsamen Wein; und da ich davon trank, schmeckte er bitterer als Mohn; und eine schwärzliche Wolke umhüllte mein Haupt, die kristallenen Tränen verdammter Engel; und leise rann aus silberner Wunde der Schwester das Blut und fiel ein feuriger Regen auf mich.  - Georg Trakl

Wein
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