Wasserwicht  Ich sage ihnen, daß das Merkwürdige in seiner Wohnung der Tropfen am Wasserhahn sei. Die drei oder vier Leute wurden sofort neugierig, und dann sagte ich, man dürfe es vielleicht nicht allzu ernst nehmen, aber zu dem Tropfen gehöre einer dazu, ein Wicht, der aus dem Wasserhahn herauskomme.

Da wunderten sie sich gar nicht und sagten: »Ja, ja, das kommt bei uns auch vor«, und riefen auch noch andere, damit sie sich das mit anhörten.

Da sagte ich, dieser Jemand sei nur mit dem Kopf im Tropfen, ohne herauszufallen, und spähte hervor, wobei er sich herausbeuge und wieder zurückziehe, oder so sei es mir vorgekommen.

Sie sagten ja, das würde oft passieren, und riefen noch andere herbei: »Komm und hör dir das an! Der hat die Wichte aus den Wasserrohren gesehen!« Und sie lachten, was heißen sollte, daß die Sache merkwürdig ist, aber nicht schlimm.

Einer von ihnen sagte, er würde es so machen: Er tut so, als würde er das Gas anzünden, aber dann dreht er den Wasserhahn auf, aber so, daß ein starker Wasserstrahl herauskommt. Da jammert dann der Späher und macht dasselbe Geräusch, das die Rohre normalerweise haben, aber mit einer lästigen Stimme wie eine Sirene, denn das ist seine Art, den Leuten das Gehör zu quälen.

»Ich habe dagegen welche ins Waschbecken fallen sehen«, sagt einer mit einer Baskenmütze, »sie wurden nämlich überrumpelt, oder es waren Junge, Unerfahrene, die noch nicht wußten, wie sie sich mit ihren kleinen Fingernägeln an den Krümmungen des Rohrs festhalten sollten.« »Ja, das stimmt, die machen ein Gesicht, wenn sie schon halb draußen sind, fast wie Hysteriker.« Alle lachen über diese Bemerkung. »Und den Herrn des Hauses schauen sie vorwurfsvoll an, wenn er da ist.« Der Frau des Hauses spielen sie die Komödie ihres Schmerzes vor; aber es ist kaum möglich, sie zu sehen, weil sie sich nicht zeigen wollen.

Manches Dienstmädchen sieht sie beim Geschirrspülen halbtot mit dem kochend heißen Wasser herunterfallen und dann im Schaum des Spülmittels herumschwimmen. »Ich sehe sie«, sagte einer, »manchmal früh am Morgen, wenn ich aufstehe, weil ich zum Zug muß, und es ist noch dunkel. Ich sehe sie wie Lumpen an einem Wasserhahn hängen, der immer ein klein wenig rinnt.« Aber dann sagen sie, man hatte nicht die Zeit, ihnen zuzuschauen, auch wenn das der richtige Moment wäre, denn sie würden lang und dünn. Sie hingen nur mit den Füßen dran, und zwischen den Zehen hätten sie eine Art farbloses Harz, und ihre höchste Lust sei es, sich vom Wasser durchströmen zu lassen. Wenn sie könnten, würden sie ihr ganzes Dasein so verbringen. Untereinander nennen sie das Wohlbefinden, rinnendes Paradies; und es kommt vor, daß sie lange Zeit so baumeln, einen ganzen Sommer lang zum Beispiel, und alles vergessen; und so beschmutzen sie nämlich das Waschbecken oder die Badewanne mit Rost.

Dann verschwinden sie durch das Abflußrohr, wenn sie das Gleichgewicht verlieren, und fangen ein neues Leben an.   - (mond)

Wasserwicht (2)  Ich  habe ihm gesagt, was ich wußte und was ich mir vorstellte, daß es nämlich Leute sind, die aus den Wasserhähnen und den öffentlichen Trinkbrunnen herauskommen und schauen; und so genießen sie das Leben, wer weiß wie viele Jahre lang.

Das erstaunte den Präfekten nicht, und er sagte: »Das habe ich mir gedacht, wissen Sie? Und dann?« Und dann, so sagte ich ihm, hängen sie sorglos im Wasserstrahl, denn das hatte ich gesehen, und hängen nur mit einem Zehennagel oder einem Fädchen Klebmasse dran, die sich zwischen ihren Zehen bildet. Und sie werden so lang, bis sie den Abfluß berühren, unter sehr großer Gefahr für ihr .-sorgloses Leben. Und dabei fühlen sie sich vom Wasser durchströmt, glaube ich, und sie genießen diese Lust wie verrückt mit dem Hals und indem sie den Mund und die Achselhöhlen offenhalten. Sie fühlen sich praktisch im Paradies, sagte ich zusammenfassend.

Inzwischen spähte ich nach dem Gesicht des Präfekten, um zu sehen, was er davon hielt, und er strahlte und fragte mich: »Aber wie sehen sie aus?«

Ich mußte sagen, das wisse man nicht genau. Aber wenn ich überlege, sehe ich sie so: Die von den Trinkbrunnen haben Augenlider wie Lüstlinge, das heißt größer als normal und weicher und ein klein wenig rosa. Tauben sind ihnen besonders lästig. Sie ziehen sich zurück, sobald sie ihnen näherkommen; aber aus Trägheit nicht ganz. Den Kopf und den Adamsapfel lassen sie draußen, ihre Augen sind halb ver-_ schieiert, aber eins mehr als das andere, was der Ausdruck höchster Verachtung ist.

Aber die Tauben interessieren sich nicht für sie oder sehen sie nicht. Für die sind sie fließendes kaltes Wasser. »Hören Sie?« sagte ich. Er horchte, denn der Brunnen gurgelte und blubberte im Dunkel.

»Ja, ja«, sagte er leise und lächelte tückisch und komplizen-haft. »Die lassen es sich gut gehen, diese Nichtsnutze. Aber mit denen werden wir auch noch fertig.«   - (mond)

 

Wasser Wicht

 

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