erkündigung Ich verkünde die dadaistische Welt!
Ich verlache Wissenschaft und Kultur, diese elenden Sicherungen einer zum Tode verurteilten Gesellschaft. Was kann es mich angehen zu wissen, wie Martin Luther aussah? Ich stelle ihn mir vor als dickbäuchigen kleinen Mann. Er sah aus wie der Volksbeauftragte Ebert. Was brauchen wir Buddhas Reden zu lesen — es ist besser, eine falsche Vorstellung von philosophischen Exkursen zu haben. Oder zu wissen, daß es im Cambrium Riesenlibellen gab, denen zu Ehren der Luftdruck größer war als heute. Oder, daß 227 Milliarden Atome ein Molekül von der Größe eines Zehntelkubikmillimeters ausmachen. Aber noch unwichtiger als diese Unkontrollierbarkeiten sind mir die ernsthaften Dichter.
Warum ist es besser, Kaufmann zu sein als Dichter?
Der Kaufmann betrügt offenkundig, und nur die anderen: dies ist nach dem Kodex
des Bürgers gerechtfertigt. Der Dichter betrügt sich selbst, wenn er für alle
spricht, und ist dadurch gerichtet, von der überrealen Welt abgeschnitten. Diese
Herren Fritz von Geschlecht, die uns ihre Unruhe ins Gesicht malen, möchten
als dunklen Drang eines Gottes, an den sie selbst nicht glauben, da sie nur
ihren eigenen üblen Egos Existenz beimessen - diese Petarden der Besitzgier
sind wahre Apachen von Karl Mays Gnaden - oh, Shatterhand! oh, Winnetou - aber
nicht so real wie dieser Sachse aus der Moritzburg des deutschen Gehirns. -
Raoul Hausmann, Pamphlet gegen die weimarische Lebensauffassung (1919)
Verkündigung (2)
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