Verkehr, innerer    Wohl auf manchen Wegen mögen die Geister der Lebenden und Toten sich unbewußt begegnen, auf manchen auch nur bewußt von einer Seite. Wer kann diesen ganzen Verkehr verfolgen und ergründen. Sagen wir nur kurz; sie begegnen sich, wenn sie sich mit Bewußtsein begegnen, und die Verstorbenen sind da, wo sie mit Bewußtsein da sind.

Ein Mittel gibt's bewußtester Begegnung zwischen den Lebenden und Verstorbenen; es ist das Andenken der Lebenden an die Verstorbenen. Unsere Aufmerksamkeit auf die Verstorbenen richten, heißt, ihre Aufmerksamkeit für uns wecken, wie ein Reiz, der einen Lebendigen trifft, seine Aufmerksamkeit gleichsam dahin lockt, wo er ihn trifft.

Ist doch unser Andenken an die Verstorbenen nur eine in uns bewußt gewordene sich auf sie zurückwendende Folge ihres diesseitigen bewußten Lebens, das jenseitige aber wird infolge des diesseitigen geführt.

Auch wenn ein Lebender an einen Lebenden denkt, mag's einen Zug auf dessen Bewußtsein geben; doch er wirkt nichts, weil dessen Bewußtsein noch ganz in den Banden seines engen Leibes gefesselt liegt. Das durch den Tod entfesselte Bewußtsein aber sucht seine Stätte, und folgt dem Zug, der darauf geäußert wird, so leichter und so stärker, je öfter und je stärker er zuvor darauf geäußert ward.

Wie nun ein und derselbe körperliche Schlag stets zweiseitig vom Schlagenden und vom Geschlagenen zugleich gefühlt wird, ist es nur ein Bewußtseinsschlag, der in der Erinnerung an einen Verstorbenen zweiseitig gefühlt wird. Wir irren, nur die diesseitige Bewußtseinsseite für da haltend, weil wir die jenseitige nicht spüren; und dieser Irrtum hat Folgen des Irrtums und der Versäumnis.

......

Denkt eines Verstorbenen nur recht, und nicht bloß der Gedanke an den Verstorbenen, der Verstorbene selbst ist im Momente da. Ihr könnt ihn innerlich beschwören, er muß kommen, ihn festhalten, er muß bleiben, haltet nur Sinn und Gedanken auf ihm fest. Denkt seiner mit Liebe oder Haß, er wird es spüren; -mit stärkerer Liebe, stärkerem Haß, er wird es stärker spüren. Sonst hattet ihr wohl Erinnerung an die Toten; nun wißt ihr sie zu brauchen; könnt einen Verstorbenen noch wissentlich mit eurem Andenken beglücken oder plagen; euch mit ihm versöhnen oder unversöhnlich streiten, nicht euch bloß wissentlich auch ihm. Tut's stets im besten Sinne; und sorgt nun aber auch, daß das Andenken, was ihr selber hinterlaßt, euch künftig selber fromme.     - Gustav Theodor Fechner, Das Büchlein vom Leben nach dem Tode, in: G.T.F., Das unendliche Leben. München 1984 (Matthes & Seitz debatte 2, zuerst 1836)

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