eelenbeule
In einem Zimmer im vierten Stock eines mehr gewichtigen als
vornehmen Gebäudes, innerhalb einer Dreizimmerwohnung mit Küche und Bad, befindet
sich ein angegrauter Herr, der heute, Sonntag, beschlossen hat, daß er anfangen
wird, ein Buch zu schreiben. Er hat nie Bücher geschrieben und im großen und
ganzen auch nicht viele gelesen, und gewöhnlich hat es sich um dumme Bücher
gehandelt oder solche von geringem intellektuellem Wert. In Wirklichkeit gibt
es überhaupt keinen Grund - weder moralisch noch praktisch - warum er ein Buch
schreiben sollte; aber in der Nacht vom Samstag zum Sonntag ist in seiner Seele
diese komische Beule zum Vorschein gekommen, die auch die Idee enthielt, daß
ein Buch zu schreiben eine edle und veredelnde Tätigkeit sei. Er ist sich bewußt,
daß er in seinem Leben noch nie etwas Edles getan hat, was durchaus zutrifft,
aber weniger ungewöhnlich ist als er glaubt; er hat noch nicht einmal jene bescheidenen
gesellschaftlichen Pflichten erfüllt, die mehr oder weniger alle erfüllen, wie
z. B. heiraten, eine Frau und eine Geliebte unterhalten, ein paar Kinder in
die Welt setzen und sie anständig gekleidet zur Schule schicken. Er hat kühle
und unaufmerksame Verhältnisse gehabt, zumal er es nicht schätzt, für irgend
etwas Geld auszugeben, obwohl er nicht geizig ist. In Wahrheit gibt es für ihn
nichts, was einen leichtfertigen und verschwenderischen Umgangmit dem Geld rechtfertigen
könnte. Er ist nicht religiös, aber auch nicht areligiös, da beide Haltungen
eine Aggressivität voraussetzen, die er nicht hat. Er liest keine Philosophie,
die er im übrigen gar nicht verstehen würde. Er geht einer gehobenen Tätigkeit
nach, die ihm keine schwerwiegenden Entscheidungen abverlangt, ihm aber auch
keine aufregenden Aussichten bietet, welche er sich im übrigen gar nicht wünscht,
da ihm ein langweiliges Leben viel vernünftiger erscheint als ein aufregendes.
Trotzdem hat er an diesem Sonntag beschlossen, ein Buch zu schreiben. - (pill)
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