Schreibpinsel  Nachdem Student Ding den Pinsel zurückgegeben hatte, hielt Richter Di ihn in seiner linken Hand. Mit seiner rechten zog er einen kleinen hölzernen Zylinder aus seinem Ärmel und hob ihn in die Höhe, so daß jeder ihn sehen konnte.

«Dies», sagte er, «ist eine genaue hölzerne Kopie vom Griff des kleinen Messers, das in General Dings Hals gefunden wurde. Sie ist genau so lang wie der ganze Dolch einschließlich seiner Klinge. Ich werde sie jetzt in den hohlen Schaft dieses Pinsels einfügen.»

Das Stäbchen paßte genau in den Schaft. Aber als es einen halben Zoll hineingegangen war, blieb es stecken.

Richter Di überreichte den Pinsel Ma Jung.

«Drücke dies Stäbchen weiter hinunter!» befahl er.

Ma Jung setzte seinen großen Daumen über das herausragende Ende des Stäbchens. Man sah, daß er es fest niederdrücken mußte, damit es im Schaft verschwand.

Dann blickte er erwartungsvoll den Richter an.

«Jetzt strecke deinen Arm aus und zieh deinen Daumen, so schnell du kannst, zurück», befahl der Richter. Das Holzstück schoß ungefähr fünf Fuß hoch in die Luft und fiel dann klappernd auf die Fliesen.

Richtet Di lehnte sich in seinen Stuhl zurück. Er strich sich über den Bart und sagte langsam:

«Dieser Schreibpinsel ist ein sinnreich konstruiertes Mordinstrument. Sein hohler Schaft enthält eine Reihe von dünnen Spulen, die wahrscheinlich aus Rottang aus dem Süden stammen. Nachdem sie eingefügt waren, drückte die Person, die das Werkzeug machte, sie so weit hinunter, wie sie in diese Höhlung hineingehen wollten. Dann ließ er geschmolzenes Harz vom lackbaum in die Röhre eintropfen und hielt die Spulen zusammen, bis das Harz völlig getrocknet war. Dann nahm er die Röhre heraus und ersetzte sie durch dieses.»

Richter Di öffnete eine kleine Schachtel und entnahm ihr sehr vorsichtig das Messer, das im Hals des toten Generals gesteckt hatte.

«Sie sehen», fuhr er fort, «daß sein röhrenartiger Griff genau in den Schaft dieses Pinsels paßt, während seine hohle Klinge in das geschnitzte Innere paßt. Selbst wenn man in den Schaft hineinsah, war das Messer nicht zu sehen.

Vor ein paar Jahren schenkte eine gewisse Person diesen Schreibpinsel dem General und sprach damit sein Todesurteil. Er wußte, wenn der General diesen Pinsel benutzen würde, würde er früher oder später sein Endstück an eine Kerze halten, um, wie wir das alle machen, wenn wir mit einem neuen Pinsel zu schreiben beginnen, die überflüssigen Haare zu beseitigen. Die Hitze der Flamme würde das Harz schmelzen, die Spulen würden sich lockern und das vergiftete Messer aus dem Schaft hervorschießen. Es bestand eine Chance von zehn zu eins, daß das Messer das Opfer ins Gesicht oder in den Hals treffen würde. Hinterher würden die Spulen nicht gesehen werden, weil sie aus dem Innern des Schaftes hervorgesprungen sein würden.»    - Robert van Gulik, Mord im Labyrinth. Zürich 1985

 

Schreibgerät Chinese Pinsel

 

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