chachpartner Früher,
vor vielen Jahren, mußte Fischerle, wenn die Frau einen Kunden in ihr
enges Kabinett heraufbrachte, trotz seinem Buckel unters Bett kriechen. Dort
horchte er genau auf die Worte des Mannes - die seiner Frau waren ihm gleichgültig
— und hatte bald ein Gefühl dafür, ob es sich um einen Schachspieler handle
oder nicht. War er seiner Sache sicher, so kroch er nachher eiligst hervor -
meist tat er dabei seinem Buckel sehr weh - und lud
den Ahnungslosen zu einer Schachpartie ein. Es gab Männer, die drauf eingingen,
wenn man um Geld spielte. Sie hofften, vom schäbigen Juden das Geld zurückzugewinnen,
das sie der Frau unter höherem Zwang geschenkt hatten. Sie glaubten im guten
Recht zu sein, da sie jetzt bestimmt nicht mehr auf den Handel eingegangen wären.
Sie verloren aber nochmal so viel dazu. Die meisten lehnten Fischerles Ansinnen
müde, mißtrauisch oder empört ab. Niemand machte sich Gedanken darüber, wo er
denn plötzlich hergekommen sei. Doch Fischerles Leidenschaft wuchs mit den Jahren.
Von Mal zu Mal fiel es ihm schwerer, mit seinem Antrag so lange zu warten. Oft
überkam es ihn plötzlich mit ungeheurer Gewalt, daß da oben ein Weltmeister
inkognito liege. Viel zu früh erschien er neben dem Bett, klopfte der heimlichen
Berühmtheit mit Finger oder Nase auf die Schulter, bis sie statt des vermuteten
Insekts den Zwerg und seinen Antrag zur Kenntnis nahm. Das war jedem zu dumm,
und es gab keinen, der nicht die Gelegenheit benützt hätte, sein Geld zurückzuverlangen.
Nachdem das wiederholt passiert war - einmal hatte ein aufgebrachter Viehhändler
sogar die Polizei geholt -, erklärte die Frau kategorisch, jetzt müsse das alles
anders werden oder sie nehme sich einen anderen. Fischerle wurde, ob es nun
gut oder schlecht ging, ins Kaffeehaus geschickt und durfte vor vier Uhr früh
nie nach Hause kommen. - Elias Canetti, Die Blendung. Frankfurt am
Main 2007 (zuerst 1935)
Schachpartner (2)
Marcel Duchamp und Eve Babitz
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