Schachlehrer  Das  Spiel stand gleich, und für keinen von beiden waren Chancen abzusehen. Sie waren im Mittelspiel, und der Lehrer schien besorgt, denn er hatte noch keine Gelegenheit gehabt, auf einen Fehler hinzuweisen, wie er es sonst bei einem schwachen oder falschen Zug des Mannes tat.

Plötzlich sah er ihn an und sagte: «Wollen Sie, daß wir im Ernst spielen?» Der Schüler schien nicht zu begreifen; er hatte die ganze Zeit im Ernst gespielt.

Der Lehrer erklärte: «Ich meine, wollen wir diese Partie bis zum Ende spielen, verstehen Sie? Ohne daß ich Ihnen Hinweise gebe. Eine Art Kräftevergleich...»

Der Mann sah auf das Schachbrett, überlegte sich seine Position und betrachtete sie im Lichte all seines Wissens. Das Spiel war ausgewogen, und sie hatten die gleichen Figuren. Aber etwas reizte ihn. Es war eine Art Ahnung, daß er gewinnen würde, der Wunsch, es mit dem anderen aufzunehmen, es zu riskieren.

Der Schüler sah dem Lehrer ins gleichmütige Gesicht. «Gut», sagte er.

Da bewegte der andere eine Figur (er war am Zug) und flüsterte: «Matt.»

Und so war es.

«Bewundernswürdig», sagte der Schüler. «Es schien, als bestünde keine Gefahr. Wir standen gleich...»

«Ja, so schien es», bemerkte der Lehrer. Der Mann hatte sich bereits abgefunden und meinte, als sie aufstanden, nur noch: «Es ist nicht gut, so vertrauensselig zu sein, oder? Das ist nun unsere letzte Stunde... Aber wie heißen Sie bitte noch mal?»

Der Lehrer antwortete: «Gott.» - Federico Peltzer, Der Schachlehrer. In: Argentinische Erzählungen. Hg. Jorge Luis Borges (Die Bbliothek von Babel 2) Stuttgart 1983

 

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