chachautomat    Ich bemerkte ein Zucken der breiten Schultern des Geschöpfs, als ob es erregt wäre, und das hatte etwas so Natürliches, so völlig Menschliches, daß es mich, bei meiner neuen Betrachtungsweise der Dinge, erschreckte. Aber das war noch nicht alles, sondern einen Augenblick später schlug es mit geballter Faust auf den Tisch. Über diese Bewegung schien Moxon sogar noch erschrockener als ich: er stieß seinen Stuhl ein bißchen zurück, wie in Alarm. Jetzt hob Moxon, der an der Reihe war, die Hand hoch über das Schachbrett, stieß damit wie ein Sperber auf eine seiner Figuren nieder, und mit dem Ruf »schachmatt!« sprang er rasch auf und stellte sich hinter seinen Stuhl. Der Automat saß regungslos da.

Der Wind draußen hatte sich jetzt gelegt, aber ich hörte, in immer kürzeren Abständen und zunehmend lauter werdend, das Rumpeln und Rollen von Donner. In den Zwischenpausen kam mir jetzt ein tiefes Summen oder Brummen zu Bewußtsein, das gleich dem Donner mit jedem Augenblick lauter und deutlicher wurde. Es schien aus dem Automaten zu kommen und war unverkennbar das Kreisen von Rädern. Es erweckte die Vorstellung von einem gestörten Mechanismus, der aus der hemmenden und regulierenden Tätigkeit irgendeines Kontrollteiles geraten war, eine Wirkung, wie sie etwa zu erwarten ist, wenn eine Sperrvorrichtung sich aus der Verzahnung eines Rades gelöst hätte. Aber bevor ich zu langen Mutmaßungen über die Art des Geräusches Zeit hatte, wurde meine Aufmerksamkeit von den sonderbaren Bewegungen des Automaten selbst in Anspruch genommen. Schwache, aber unaufhörliche Konvulsionen schienen Besitz von ihm ergriffen zu haben. Körper und Kopf schüttelten sich wie bei einem Menschen, der einen Schlaganfall erlitten oder der Schüttelfrost hat, und dies steigerte sich mit jeder Sekunde, bis die ganze Gestalt in wilder Bewegung war. Plötzlich sprang sie auf die Füße, und mit einer so schnellen Bewegung, daß das Auge ihr kaum folgen konnte, schoß sie, beide Arme weit vorwärts stoßend, in ihrer ganzen Länge über Tisch und Stuhl - die Stellung und Gebärde eines Tauchers. Moxon versuchte sich nach hinten zu werfen, außer Reichweite des gräßlichen Wesens zu kommen, aber es war zu spät: ich sah, wie sich dessen Hände um seine Kehle schlössen und wie seine eigenen Hände dessen Gelenke umklammerten. Dann fiel der Tisch um, die Kerze fiel zu Boden, erlosch, und alles war pechschwarz. Aber das Geräusch des Kampfes war schrecklich deutlich, und am fürchterlichsten von allem klangen die rauhen, gequetschten Töne, die von den Atemanstrengungen des Gewürgten herrührten. Ich stürzte zur Befreiung meines Freundes in die Richtung des infernalischen Getöses, hatte aber kaum auch nur das erste Hindernis in der Dunkelheit überwunden, als der ganze Raum in einem grellweißen Licht aufleuchtete, welches mir in Hirn, Herz und Gedächtnis ein unauslöschliches Bild von den Kämpfenden einbrannte, die am Boden lagen. Moxon unter dem anderen, die Kehle immer noch umklammert von den Eisenhänden, mit nach hinten gepreßtem Kopf, herausquellenden Augen und mit weit aufgerissenem Mund, aus dem die Zunge heraushing, und - grausiger Kontrast! - auf dem gemalten Gesicht seines Würgers lag ein Ausdruck friedlichen und tiefen Nachdenkens, wie über die Lösung eines Schachproblems.   - Ambrose Bierce, Moxons Herr und Meister. In: A.B., Mein Lieblingsmord. Frankfurt am Main 1974 (it 39)

 

Automat Schachspiel

 

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